Volkstümliche Rechtsirrtümer

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1. Die absichtliche Tötung eines Menschen ist immer Mord.

So sah der Mordparagraph (§ 211) im deutschen Strafgesetzbuch nie aus. Vor langer Zeit wurde wegen Mordes bestraft, wer einen Menschen "mit Vorbedacht" getötet hatte. Schon dies war etwas anderes, denn Absicht liegt schon vor, wenn der Täter das Ziel hatte, sein Opfer zu töten, während unter "Vorbedacht" nur eine schon einiges im Voraus geplante Tötung fiel. Heute hängt die Frage "Mord oder Totschlag" von den Motiven des Täters ab und von der Art, wie er seine Tat begangen hat:

Motive:

Begehungsweisen:

Andererseits kann einen Mord auch begehen, wer einen Menschen nicht absichtlich tötet - es genügt nämlich direkter oder bedingter Vorsatz (s. VI.2.)

2. "Absicht" bedeutet das gleiche wie "Vorsatz".

"Vorsatz" ist im Recht ein Oberbegriff, zu dem unter anderem die Absicht gehört. Absichtlich handelt jemand, dem es darauf ankommt, gerade das zu erreichen, was einen (Straf-)Tatbestand erfüllt. Es gibt aber auch die "Wissentlichkeit" (direkter Vorsatz 2. Grades), wo der Täter eigentlich ein anderes Ziel hat, aber weiß, dass seine Handlungen gleichzeitig dazu führen, dass ein Tatbestand erfüllt wird (Beispiel: Jemand zündet sein Haus an, um die Versicherungssumme zu kassieren, weiß aber, dass jemand im Haus bei dem Brand ums Leben kommen wird). Geht es um direkten Vorsatz, so ist in Strafgesetzen oft von "wissentlich" die Rede. Schließlich gibt es auch noch den "bedingten Vorsatz" (Eventualvorsatz). Der liegt vor, wenn der Täter zwar nicht sicher weiß, dass sein Handeln den Tatbestand erfüllen wird, dies aber für möglich hält und in Kauf nimmt bzw. sich damit abfindet (Meinungsstreit!).

3. "Erhöhtes Beförderungsentgelt" ist die Strafe für Beförderungserschleichung ("Schwarzfahren").

Schwarzfahren ist als eine Variante des Erschleichens von Leistungen gem. § 265a StGB strafbar. Die zu erwartende Strafe ist eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Die üblichen € 40,- haben mit dem StGB allerdings nichts zu tun. Sie rühren aus den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Verkehrsbetriebe und werden immer erhoben. Zur Bestrafung aus § 265a StGB bedarf es jedoch einem Strafverfahren vor einem Gericht, wozu es selten kommt, da die Verkehrsbetriebe meistens auf eine Anzeige verzichten. Wird jemand allerdings häufiger beim Schwarzfahren erwischt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass er sich irgendwann vor Gericht zu verantworten hat, wo ihn eine deutlich höhere Strafe als die € 40,- erwartet.

4. "Entgelt" schreibt man hinten mit "d".

Man schreibt es mit "t" ;-) Das kommt nämlich von "entgelten", und da von "gelten", so wie "abgelten" - diese Wörter würde niemand mit d schreiben.

5. Verstöße gegen das Rechtsberatungsgesetz sind strafbar (dieser VRI ist auch unter Volljuristen verbreitet).

Wie ein Blick ins Rechtsberatungsgesetz beweist, gibt es dort zwar einen Paragraphen, der den Titel "Strafbestimmung" trägt (§ 8 RBerG), der aber trotzdem keine Strafbestimmung enthält, sondern nur bestimmte Verstöße für ordnungswidrig erklärt und ermöglicht, sie mit einer Geldbuße zu ahnden. Und die ist auch für falsches Parken möglich.

6. Ordnungswidrigkeiten werden verfolgt.

Grundsätzlich können Ordnungsbehörden (nach pflichtgemäßen Ermessen) entscheiden, ob eine Ordnungswidrigkeit verfolgt werden sollen. Es gibt allerdings besondere Konstellationen, da müssen sie handeln, die sogenannte Ermessensreduzierung auf Null.

7. Wenn man den GEZ-Kontrolleur nicht hereinlässt, kommt er mit einem Hausdurchsuchungsbeschluss wieder.

Das ist de jure zwar möglich, de facto praktisch ausgeschlossen. Es wird sich kaum ein Richter finden lassen, der den Durchsuchungsbeschluss erlassen wird. Der Aufwand und die Kosten hierfür wären viel zu hoch. AFAIK sind noch keine Fälle einer "GEZ-Hausdurchsuchung" bekanntgeworden.

8. Ein verurteilter Straftäter kann dafür bestraft werden, in seinem Strafverfahren gelogen zu haben.

Angeklagte dürfen lügen, bis sich die Balken im Gerichtssaal biegen, strafbar sind sie deswegen nicht. Die falsche uneidliche Aussage (§ 153 StGB) ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für Zeugen und Sachverständige strafbar. Beim Meineid (§ 154 StGB) gibt es diese Einschränkung zwar nicht, aber Angeklagte im Strafprozess können nicht vereidigt werden - das ist nur für Zeugen (§ 59 StPO) und Sachverständige (§ 79 StPO) vorgesehen.

9. Unwissenheit schützt (in Deutschland) vor Strafe nicht.

Unwissenheit kann sehr wohl vor Strafe schützen, allerdings nur in wenigen Fällen.

Zur Begehung einer Tat muss der Täter grundsätzlich Vorsatz haben. Fehlt der Vorsatz eine bestimmte Straftat zu begehen, kann der Täter nicht bestraft werden. Möglich bleibt nur eine Strafe wegen der fahrlässigen Begehung, die aber im Gesetz mit Strafe bedroht sein muss. Gem. § 16 StGB entfällt der Vorsatz ebenfalls, wenn der Täter Umstände nicht kennt, die zum Tatbestand gehören (sog. Tatbestandsirrtum).

Gem. § 17 S. 1 StGB handelt ein Täter ohne Schuld, wenn ihm bei der Begehung der Tat die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun und dieser Irrtum unvermeidbar war. An die Unvermeidbarkeit werden hohe Anforderungen gesetzt. Ggf. ist ausführlicher Rechtsrat einzuholen.

10. Ein "Lebenslänglicher" wird regelmäßig nach 6 Jahren wieder entlassen.

Dieser Irrtum scheint aus den USA zu stammen, wo er auch ein Irrtum ist und leider immer wieder dafür sorgt, dass irrende Juries dann lieber gleich für ein Todesurteil sorgen. Auch wenn die Folgen des Irrtums hierzulande nicht so fatal sind, lohnt ein Blick in § 57a StGB: Auf Bewährung entlassen wird ein Lebenslänglicher frühestens nach 15 Jahren - und auch das keineswegs immer. Vorher ist allenfalls eine Begnadigung möglich, doch eine solche findet keineswegs regelmäßig und bei "Lebenslänglichen" kaum je schon nach 6 Jahren statt.

11. Wer wegen Unzurechnungsfähigkeit ohne Strafe davonkommt, ist schneller wieder draußen.

Schuldunfähige Täter werden im Rahmen des § 63 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht. Diese Entscheidung wird jährlich geprüft (§ 67e StGB). Eine Höchstdauer für die Unterbringung ist nicht vorgesehen (§ 67d StGB).

Süd= Es gibt ein Beleidigungsdelikt, das ausschließlich Beamte schützt ("Beamtenbeleidigung"). = Eine Beleidigung ist gem. § 185 StGB strafbar. Eine Norm, die darüber hinaus speziell die Beleidigung von Beamten sanktioniert, gibt es im deutschen Strafrecht nicht. Die Bezeichnung "Beamtenbeleidigung" hat sich wohl aus den am häufigsten publik werdenden Polizisten-Beleidigungen (auch hierfür gibt es keine spezielle Norm) herausgebildet.

12. Es gibt einen Unterschied zwischen "lebenslang" und "lebenslänglich". Das eine sind nur 15 Jahre.

Im StGB kommt nur "lebenslange Freiheitsstrafe" (§ 38 Abs. 1) vor, keine "lebenslängliche". Der Ausdruck "lebenslänglich" ist zwar sonst sehr gebräuchlich, meint aber die lebenslange Freiheitsstrafe (zu ihrer Bedeutung siehe 10.). Im Übrigen ist eine Zeitspanne lang oder kurz, oder etwas dazwischen. "Länglich" ist eine Zeitspanne nie. Prof. Hermann Blei, zuletzt Strafrechtslehrer an der FU Berlin, sagte hierzu immer: "Länglich ist ein Wurm, nicht die Zeit."

13. Wenn alle anderen verschont wurden, kann ich auch nicht belangt werden.

Grundsätzlich gebietet Art. 3 GG zwar die Gleichbehandlung aller Menschen bei gleichem Sachverhalt, aber dies kann dann nicht gelten, wenn die Behandlung rechtswidrig wäre.

Es würde ansonsten der Verwaltung auferlegt, sich bewusst und gewollt ein weiteres mal rechtswidrig zu verhalten. Dies ist ihr nach Art. 20 Abs. 3 GG verboten, weil sie an geltendes Recht gebunden ist.

14. Kiffen ist verboten.

Nur Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Veräußerung, Abgabe, sonstiges Inverkehrbringen, Erwerb und sonstiges Sichverschaffen sowie der Besitz von "Betäubungsmitteln" sind verboten und strafbar (§ 29 BtMG). Der bloße Konsum von "Betäubungsmitteln", die im Besitz eines anderen bleiben, ist erlaubt. Das ist bspw. dann möglich, wenn ein Joint vom Besitzer an den Konsumenten gereicht wird und dieser ihn unmittelbar konsumiert oder dem Besitzer zurückgibt (nicht aber ihn an andere weiterreicht).

15. Urkundenfälschung ist, wenn in einer Urkunde was Falsches steht.

Urkundenfälschung ist nur, wenn der scheinbare und der wirkliche Aussteller einer Urkunde auseinanderfallen; wenn also der Erklärungsinhalt von jemandem herzurühren scheint, von dem er in Wahrheit weder herrührt noch autorisiert worden ist.

Geschützt wird die Zuordnung der Erklärung, nicht ihr Inhalt; lediglich für Amtsträger gibt es das (Vorsatz-)Delikt der "Falschbeurkundung". Im übrigen aber kann die Urkunde inhaltlich so falsch sein wie sie will. So lange sie von dem ausgestellt wurde, der "druntersteht", ist die Urkunde im Sinne des Strafrechts "echt" und nicht "falsch". Die sog. "schriftliche Lüge" ist also grundsätzlich nicht strafbar.

16. Was in einer notariellen Urkunde steht, muss stimmen; sonst hat sich der Erklärende (oder der Notar) strafbar gemacht.

Die notarielle Beurkundung beweist (fast) unwiderlegbar nur - aber immerhin -, dass die in ihr angegebenen Beteiligten die aufgeführten Erklärungen abgegeben haben. Sie besagt nichts über die inhaltliche Richtigkeit dieser Erklärungen.

VRI/Strafen (zuletzt geändert am 2018-04-18 15:10:28 durch RalfZosel)