Volkstümliche Rechtsirrtümer

  1. Verträge

  2. Haftung

  3. Garantie, Mängelhaftung, Gewährleistung

  4. Gerichte

  5. Prozess

  6. Strafen

  7. Polizei

  8. Straßenverkehr

  9. Urheberrecht

  10. Rechtsberatung

  11. Steuern

  12. Zahlungsverkehr

  13. Sonstiges


1. Der Instanzenzug ist immer AG > LG > OLG > BGH > BVerfG bzw. VG > OVG > BVerwG > BVerfG (vgl. auch IV.2.).

Der Instanzenzug ist reichlich kompliziert geregelt. Dieser Teil wird jetzt daher auch sehr §§-beladen. Gesetzestexte finden sich im WWW unter http://www.rechtliches.de. Zum BVerfG gibt es eine Erklärung unter 2. nach oben

1.1. Zivilrecht

Ein AG ist nach §§ 23, 23a GVG zuständig für

§§ 71, 72 GVG regeln die Zuständigkeit von LGen. Erstinstanzlich wird hier alles Zivilrechtliche verhandelt, was nicht dem AG zugewiesen ist. Daneben entscheiden die LGe über Berufungen und Beschwerden gegen amtsgerichtliche Entscheidungen.

§ 119 GVG regelt die Zuständigkeit der OLGe: Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Landgerichte gehen zum OLG. Das gleiche gilt für Berufungen und Beschwerden gegen bestimmte Entscheidungen der Amtsgerichte.

Schließlich regelt § 133 GVG die Zuständigkeit des BGH: Dort werden Revisionen gegen Endurteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte verhandelt.

1.2. Strafrecht

In 98% der Fälle entscheidet in 1. Instanz das Amtsgericht, sei es in "kleinen" Fällen als Strafrichter (1 Berufsrichter), in "schwereren" als Schöffengericht (1 bis 2 Berufs- und 2 Laienrichter). Es kann bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe verhängen.

Amtsgerichtliche Strafurteile können (meist) mit der Berufung und - danach oder auch gleich - mit der Revision angefochten werden. Berufungsgericht ist das Landgericht ("kleine Strafkammer", 1 Berufs- und 2 Laienrichter), Revisionsgericht das Oberlandes gericht (3 Berufsrichter, "Strafsenat").

Die restlichen 2% - Schwerkriminalität und Fälle, wo die Psychiatrie droht - bearbeitet das Landgericht ("große Strafkammer", 2 bis 3 Berufsrichter, 2 Laienrichter) als einzige "Tatsacheninstanz", hier gibt es nur die Revision zum Bundesgerichtshof.

1.3. Verwaltungsrecht

VG > OVG > BVerwG

Nach § 40 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht (vor allem Finanz- und Sozialgerichte) ausdrücklich zugewiesen sind.

Grundsätzlich ist das VG zuständig.

Das OVG (In Bayern und Baden-Württemberg aus historischen Gründen: VGH) entscheidet über die Berufungen gegen Urteile des VG und Beschwerden gegen andere Entscheidungen der VG.

Die wichtigste erstinstanzliche Zuständigkeit des OVG liegt in der Normenkontrolle hinsichtlich Satzungen nach dem BauGB. Weitere ergeben sich aus §§ 47, 48 VwGO.

Das BVerwG entscheidet über Revisionen gegen Urteile des OVG und über Sprungrevisionen vom VG. Erstinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG ergibt sich aus § 50 VwGO (sehr selten).

Als Besonderheit ergibt sich, dass Berufungen nach § 124 VwGO und Revisionen nach § 132 VwGO zugelassen werden müssen. nach oben

2. Das BVerfG ist das oberste Revisionsgericht Deutschlands.

Das BVerfG ist kein Revisionsgericht. Es wird nur in den Fällen tätig, die in Art. 93 GG und § 13 BVerfGG genannt sind. Für den Normalbürger gibt es da nur die Verfassungsbeschwerden, die "von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein". Auf diese Weise kann das BVerfG tatsächlich auch Urteile überprüfen. Aber es prüft nur auf Verfassungsverstöße, die noch dazu einigermaßen schwer wiegen müssen. Anders als ein Revisionsgericht prüft es nicht, ob ein Urteil nur auf der falschen Auslegung eines Gesetzes beruht oder ob einfaches Recht verletzt wurde. Anders als bei Revisionsgerichten üblich, können die Fälle des BVerfG aus allen möglichen "Vorinstanzen" kommen. Es ist denkbar, dass das BVerfG über eine BGH-Entscheidung zu Gericht sitzt. Es kann aber genausogut ein Urteil des AG, LG, VG o.ä sein. nach oben

3. Wenn ich ein obsiegendes Urteil erwirke, bekomme ich Geld.

Dem ist keineswegs immer so. Zunächst einmal kommt es darauf an, worauf man geklagt hat - neben Geldzahlungen können das im Zivilprozess auch die Herausgabe von Sachen sowie alle möglichen Handlungen und Unterlassungen (z.B. von rufschädigenden Behauptungen) sein, um nur die wichtigsten Ziele von Klagen zu nennen. Wer in so einem Prozess obsiegt, bekommt an Geld höchstens seine Auslagen. Ist man Beklagter, so bekommt man von den Auslagen abgesehen sogar gar nichts, wenn man den Prozess gewinnt - man wird eben nur nicht verurteilt. Im Verwaltungsprozess geht es meist gar nicht direkt um Geld, sondern meist um Erlass oder Aufhebung von Verwaltungsakten (Baugenehmigung, Fahrerlaubnis, Versammlungsverbot etc.). Neben- und Privatkläger im Strafprozess bekommen bei Prozessgewinn auch kein Geld. Aber sogar wer erfolgreich auf eine Geldzahlung klagt, kann sich noch nicht sicher sein, Geld zu bekommen. Denn wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, nützt das schönste Urteil nichts. nach oben

4. Wenn ich Recht habe, brauche ich auf Anschreiben nicht zu reagieren.

Spätestens wenn Post vom Gericht kommt, muss ich reagieren, auch wenn der geltend gemachte Anspruch aus meiner Sicht noch so absurd ist. Ob und wie man auf außergerichtliche Schreiben reagieren sollte, hängt von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab und lässt sich nicht allgemein beantworten. Wenn aber ein "blauer Brief" kommt, muss ich mir darüber klarwerden, was er mir sagen will und entsprechend reagieren. Bin ich dazu nicht in der Lage, muss ich an dieser Stelle professionelle Hilfe in Anspruch nehmen (vgl. auch X. 6.), wenn ich nicht - ggf. unwiderrufliche - Rechtsnachteile erleiden will. nach oben

5. Finanzgerichte heißen so, weil sie i.d.R. zu Gunsten der Finanzämter entscheiden.

Finanzgerichte heißen Finanzgerichte, weil dort Entscheidungen über Abgaben, insbes. Steuer und verwandte Angelegenheiten verhandelt werden. Der Name kommt aus dem Französischen und ist eine Ableitung zu "finantia", was man mit "fälliger Zahlung" übersetzen kann. nach oben

6. Verwaltungsgerichte heißen so, weil sie i.d.R. zu Gunsten der Verwaltungsbehörden entscheiden.

Verwaltungsgerichte heißen Verwaltungsgerichte, weil an dem Streit vor Gericht die Verwaltung als Partei beteiligt ist. nach oben

7. Das Bundesverfassungsgericht wird mit "BVG" abgekürzt.

Die Abkürzung lautet "BVerfG". Neben dem Bundesverfassungsgericht gibt es nämlich auch noch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), und die Abkürzung "BVG" für eines der Gerichte könnte zu Missverständnissen führen. So steht "BVG" denn nur für die Berliner Verkehrsbetriebe, und wer die Abkürzung in den rechtlichen Newsgroups benutzt, muss sich entsprechende Kalauer anhören (die Missbrauchsgebühr ist z.B. bei der BVG üblicherweise deutlich geringer als beim BVerfG).

VRI/Gerichte (zuletzt geändert am 2010-08-10 13:16:17 durch anonym)