In der Zeitschrift Die Kanzlei Ausgabe 06/03 S. 28 haben RalfZosel und ThomasWaldmann einen Artikel veröffentlicht (siehe auch Handakte vom 10.03.04), der leider nicht mehr frei online abrufbar ist. Den Artikel hatten wir hier im JuraWiki auf einer Seite mit ZugriffsKontrolle (DieKanzleiArtikel) gemeinsam geschrieben. Hier die Original-Version:

WikiWikiWeb für den Anwalt

Autor: Ralf Zosel, Co-Autor: Thomas Waldmann

Anwälte können online nicht nur Informationen abrufen, sondern das Netz auch als Kommunikations- und Kooperationsmedium nutzen - mit WikiWikiWeb besonders einfach und effizient.

Eine Kanzlei ist ein informationsverarbeitender Betrieb. So ist der Rechtsanwalt ständig auf der Suche nach dem nötigen Input. Bewährt haben sich an juristischer Literatur für praktische Fragestellungen insbesondere der Kommentar, der ja auch den Gesetzestext enthält, und die Fachzeitschrift, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Informationsbeschaffung per Internet

Zunehmend werden die Informationen auch in elektronischer Form angeboten. Bereits etabliert sind die juristischen Datenbanken, vor allem in Form der Rechtsprechungsdatenbank. Hier liegen die Vorteile gegenüber den Papiersammlungen auf der Hand: Das elektronische Medium ist vollständiger, besser durchsuchbar und stets aktuell. Es hilft, bei der juristischen Recherche Zeit und damit Kosten zu sparen und führt - richtig eingesetzt - oft zu besseren Rechercheergebnissen.

Ermutigt durch die Akzeptanz des elektronischen Mediums in diesem Bereich drängen weitere Angebote auf den Markt, z.B. Online-Zeitschriften, elektronische Kommentare und Newsletter. Aber auch das Angebot an nichtkommerziellen juristischen Online-Quellen wächst stetig. Zahlreiche juristische Portale versuchen, Ordnung in die unüberschaubare Angebotsvielfalt unterschiedlichster Qualität zu bringen. Und auch die Suchmaschinen helfen bei deren Erschließung. So mancher Anwalt gibt zur Informationsbeschaffung einfach mal ein passendes Stichwort bei Google ein und lässt sich überraschen. Mit etwas Glück wurde ein ähnliches Problem bereits anderweitig gelöst und die Lösung publiziert.

Juristische Fachgespräche online

Findet der Anwalt weder auf Papier, noch im Internet die gewünschte Information, wird er in der Praxis wahrscheinlich zum Telefonhörer greifen und einen Kollegen konsultieren, der sich damit auskennt. Wenn er Glück hat, hat er einen Spezialisten in seinem Bekanntenkreis, der die Lösung "aus dem Ärmel schütteln" kann. Oder er kann wenigstens versuchen, sich im Dialog der Lösung zu nähern.

Auch für solche juristischen Fachgespräche gibt es elektronische Hilfsmittel. Diese sind nicht so bekannt, können aber sehr hilfreich sein.

Mailinglisten, Newsgruppen und Newsforen

Als einfachste Form ist hier die Mailingliste zu nennen. Ein Beispiel:

Es gibt weitere Beispiele für solche juristischen "Communities". Ähnlich wie die Mailinglisten funktionieren Newsgruppen, die es auch für juristische Themen gibt2. Hier übernehmen spezielle Server die Verteilung der Nachrichten und diese werden in extra Programmen, den sog. Newsreadern, angezeigt. Eine Weiterentwicklung sind die Newsforen, bei denen keine spezielle Software installiert werden muss, sondern der Browser genügt.

Gemeinsam ist diesen Diskussions-Angeboten die Struktur, die dabei entsteht. Hier ein typisches Beispiel:

 * A stellt Frage 1 und Frage 2
  * B antwortet auf Frage 1
   * C ergänzt etwas zur Antwort des B
    * B geht noch auf den Einwand des C ein
  * D antwortet auf Frage 2
  * E ergänzt noch einen Gedanken, der sich auf beide Fragen bezieht
  * F hat die Frage zwar nicht richtig gelesen/verstanden, will aber auch was sagen.
   * G weist ihn darauf hin.

Bei wenigen Beiträgen (wie in dem Beispiel) kann sich der Leser noch leicht einen Überblick über die Gesamt-Diskussion verschaffen. Je mehr Teilnehmer und je mehr Beiträge es gibt, um so unübersichtlicher wird das Ganze. Man behilft sich mit dem sog. "Quoten", also dem Zitieren der Passagen, auf die man sich bezieht. Dann könnte in dem obigen Beispiel der Beitrag des C z.B. so aussehen:

 B schrieb:
 > A schrieb:
 >>  Frage 1 ...
 > ... hier die Antwort des B ...
 Ich meine dazu ...

Die Markierungen (">") werden beim Antworten meist automatisch eingefügt. Je nach Anzahl der Markierungen lässt sich dann zuordnen, wer was geschrieben hat. Dennoch erschwert die hierarchische Struktur die Übersicht ab einer gewissen Komplexität. Und das Quoten bläht die Texte zusätzlich auf.

Was einmal geschrieben wurde, lässt sich nicht mehr verändern oder löschen. Das macht diese Systeme anfällig für Störungen. Es wird alles an jeden verteilt und jeder muss sich dann selber darum kümmern, wie er das „Rauschen" ausfiltert.

Üblicherweise wird leider am Ende der Diskussion kein zusammenfassendes Ergebnis festgehalten, sondern die gesamte Diskussion wird (bestenfalls) im Volltext archiviert. Hat jemand irgendwann ein ähnliches Problem, muss er die alte Diskussion erst einmal finden und dann mühsam komplett nachvollziehen. Daraus erklärt sich, dass in den Mailinglisten, Newsgruppen und Newsforen immer wieder dieselben Fragen diskutiert werden, nur mit wechselnden Personen.

Manchmal entstehen aus den Diskussionen heraus FAQs, d.h. strukturierte Zusammenstellungen häufig gestellter Fragen mit den dazugehörigen Antworten („Frequently Asked Questions“). Diese werden z.B. im WWW veröffentlicht und entlasten die Diskussion, indem immer wieder darauf verwiesen werden kann. Nachteil: Die FAQs sind starr und können nur von dem Autor der FAQ verändert werden.

Nun lassen sich „normale“ Websites mit diskussionsorientierten Angebot kombinieren. Ein Beispiel für eine Kombination von Newsgruppe und WWW sind die bereits erwähnten FAQs. Daneben gibt es zahlreiche juristische Websites, die um Newsforen oder Mailinglisten ergänzt wurden. Trotz des gemeinsamen Dachs stehen die Angebote dann aber im Grunde nebeneinander mit den spezifischen Vor- und Nachteilen in dem jeweiligen Bereich.

„normale“ Website

„klassisches“ diskussionsorientierten Angebot

Vorteile

* Layout möglich
* Strukturierierung möglich

* Jeder kann mitmachen, also Fragen stellen und antworten

Nachteile

* Nur wer das Passwort und die entsprechenden Spezialkenntnisse hat, kann Seiten verändern
* nicht geeignet für Diskussionen

* Thread-Struktur vorgegeben
* eingestellte Inhalte (wenn überhaupt) nur vom Administrator zu ändern und zu löschen

WikiWikiWeb

Es gibt einen technischen Ansatz, der die Vorteile „normaler“ Websites mit den Vorteilen der „klassischen“ diskussionsorientierten Angebote vereint und dabei die jeweiligen Nachteile vermeidet: WikiWikiWeb (kurz: Wiki). Erfunden wurde das bereits Mitte der 90'er von Ward Cunningham und seitdem ständig weiterentwickelt.

Wiki-Seiten sehen aus wie „normale“ Webseiten, vielleicht etwas schlichter im Design und etwas stärker verlinkt als gewöhnlich. Demnach eignen sich Wikis genauso wie jede andere Website gut zum Abrufen von Informationen. Die Verlinkung gibt den Seiten Struktur und meist stehen weitere Hilfsmittel wie Inhaltsübersicht und Suchfunktion zur Verfügung.

Eine weitere Besonderheit im Wiki besteht darin, dass jede Seite einen eindeutigen Seitennamen hat. Das erleichtert die Orientierung. Sie müssen sich nicht den Weg merken, den Sie gegangen sind, um zu einer bestimmten Information zu gelangen, sondern nur den eindeutigen Namen der Seite.

Wikis eignen sich aber nicht nur zum Abruf von Information, sondern in raffinierter Weise darüber hinaus auch zur Kommunikation und Kooperation. Ein Beispiel:

OffeneFrage: Weiß jemand, ob das JuMoG auch Änderungen am Rechtsberatungsgesetz vorsiet?

Hintergrund ist, dass eine solche Schreibweise (Großbuchstaben in groß geschriebenem Wort, sog. WikiName) bewirkt, dass ein Link auf die Seite dieses Namens entsteht. D.h. jeder kann Links einfügen, ohne sich mit HTML-Tags auseinandersetzen zu müssen, wie z.B.:

<a href="http://www.zielserver.de/bla/blubb/trallala.html">Was es anzeigen soll</a>

OffeneFrage: Weiß jemand, ob das JuMoG auch Änderungen am RechtsberatungsGesetz vorsieht?
 * Der Begründung ist jedenfalls nichts zu entnehmen. Ich habe auch noch nie von solchen Plänen gehört.

Refactoring

So ähnlich kennen wir das – abgesehen von der nachträglichen Korrektur und der Verlinkung durch den WikiNamen – auch von den oben beschriebenen Newsgruppen und sonstigen Foren. Im Wiki geht es jetzt aber weiter, denn das sog. „Refactoring“ kann beginnen, also das Umbauen der Seite, d.h. die neuen Informationen werden in den übrigen Text eingebaut.

Zunächst einmal könnte jemand das „Offene“ aus „OffeneFrage“ löschen. Noch besser wäre es aber, die in dem kleinen Dialog enthaltene Information zu verdichten, also statt Frage und Antwort zu schreiben:

Die Begründung des JuMoG erwähnt das RechtsberatungsGesetz nicht.

Die Vorteile

Schon in diesem einfachen Beispiel zeigen sich viele Vorteile von WikiWikiWeb:

  1. In einem herkömmlichen Forum hätte der Tippfehler nicht mehr korrigiert werden können und wäre statt dessen „für die Ewigkeit“ archiviert worden.
  2. Links entstehen im Wiki einfach durch die Schreibweise der zu verlinkenden Seite als WikiName. HTML-Kenntnisse sind nicht erforderlich. Links können auch nachträglich noch eingefügt werden. So kann eine flexible Struktur entstehen.

  3. Interessierende Seiten können abonniert werden, so dass Änderungen per E-Mail zugesandt werden.
  4. Fragen können da gestellt und diskutiert werden, wo sie thematisch hinpassen. Anschließend kann die Information ins Wiki eingearbeitet werden (Refactoring). Wer anschließend Informationen sucht, braucht sich nicht durch endlose Threads mit viel Ballast durcharbeiten, sondern bekommt die Information kompakt präsentiert.

Offenheit

Die Website entsteht praktisch „en passant“. Das Schöne dabei ist: Jeder Leser kann auch mitschreiben. „Echte“ Wikis sind völlig offen, d.h. jeder kann – sogar ganz ohne Passwort – auf jeder Seite mitwirken, d.h. Text hinzufügen, bestehenden Text verändern und auch löschen und darüber hinaus auch neue Seiten anlegen. Spontan begegnen die meisten diesem Konzept mit Skepsis. Die Praxis zeigt aber, dass das nicht nur funktionieren kann, sondern sogar Vorzüge gegenüber der üblichen Abschottungsstrategie hat. Im Wiki gibt es keinen Schutz im vornherein vor unerwünschten Änderungen, aber Mechanismen, diese sofort zu erkennen und ganz leicht wieder rückgängig zu machen.

Jede Änderung erzeugt eine neue Version der Seite. Die alten Versionen werden aufgehoben und können bei Bedarf (von jedermann) wieder hergestellt werden.

JuraWiki

(!) an dieser Stelle würde sich ein Screenshot der StartSeite des JuraWiki gut machen

Das JuraWiki3 ist das WikiWikiWeb für Juristen. Neben allgemeinen fachlichen juristischen Informationen gibt es inzwischen auch zahlreiche Seiten, die speziell für den Rechtsanwalt von Interesse sind: AnwaltsSoftware, RechtsanwaltsZulassung, RechtsanwaltsKammer usw. Neben Praktikern wird das JuraWiki auch von Studenten benutzt, die Seiten zu Ihren Vorlesungen anlegen und sich über Neuigkeiten austauschen. So entsteht ein munterer Dialog von ganz unterschiedlichen Juristen und dabei wächst das JuraWiki zu einer flexiblen und aktuellen Wissensdatenbank heran. Für erste Gehversuche gibt es im JuraWiki (wie im WikiWikiWeb üblich) einen WikiSandKasten4.

IntraWiki in der Kanzlei

WikiWikiWeb lässt sich nicht nur offen im Internet einsetzen, sondern auch hinter der Firewall im Intranet. Die dazu erforderlichen Programme sind überwiegend als Freie Software kostenlos im Internet erhältlich. Das im JuraWiki eingesetzte Programm „MoinMoin“5 z.B. ist nur ca. 360 KByte groß und kann auf Unix-, Linux- oder Windows-Rechnern mit wenigen Handgriffen installiert werden. Inzwischen gibt es Firmen, die sich auf den Support in diesem Bereich spezialisisert haben6.

Die Einsatzgebiete in der Kanzlei und im Unternehmen sind vielfältig. WikiWikiWeb kann die Zettelwirtschaft ersetzen. Die außerordentliche Flexibilität ermöglicht es, einfach mal anzufangen und dann zu schauen, wie die Bedürfnisse sind und wie die Dinge sich entwickeln. So wird echte Zusammenarbeit via Inter- bzw. Intranet ermöglicht und nebenbei eine strukturierte Wissensdatenbank entstehen.

Infokasten

Die wichtigsten Schritte im JuraWiki:

Änderungen vornehmen
Unten auf jeder Seite gibt es einen Link "Editieren". Mit einem Klick darauf öffnet sich der Text der Seite im Browser in einer Textbox, d.h. Sie können die gewünschten Änderungen (Text ergänzen, verändern oder löschen) direkt im Browser vornehmen. Anschließend auf den Button "Änderungen abspeichern" klicken. Fertig - Ihre Änderungen sind sofort online.
Seiten verlinken

Jede Seite hat einen Namen, der in der Regel als "WikiName" geschrieben wird (Bsp.: StartSeite, RechtsAnwalt usw.). Wenn im Text dieser Name auftaucht, entsteht - allein durch die Schreibweise - ein Link auf die Seite dieses Namens.

Neue Seiten anlegen

Denken Sie sich einen sinnvollen WikiNamen für die neue Seite aus (z.B. TestSeite) und schreiben Sie diesen auf eine bestehende Seite. Der dadurch entstehende Link führt Sie zu der neuen Seite. (Alternative: direkt die URL im Browser eingeben: http://www.jurawiki.de/TestSeite).

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Der JuraChat zum JuraWiki

siehe http://www.jurawiki.de/JuraChat

WikiWikiWebFürDenAnwalt (zuletzt geändert am 2009-03-04 07:11:42 durch RalfZosel)