Dies ist ein Skript aus der Vorlesung "Einführung in das juristische Denken und Arbeiten", gelesen von Prof. Herberger im Wintersemester 2002/2003 an der Uni des Saarlandes. Die Vorlesung gibt es natürlich dieses Jahr auch wieder (VorlesungSb/DenkenUndArbeiten). Es dürfte nichts dagegen sprechen, die Mitschrift hier weiter zu ergänzen.

A) Wissenschaftstheoretische Methodik

Rechtswissenschaft: Wissenschaft oder Kunstfertigkeit?

Dazu gibt es im Wiki bereits Material und auch ein Diskussionsforum, deshalb verweise ich hier nur an die entsprechende Stelle (RechtsPhilosophie).

Dogmatik

Dogmatik ist die Lehre von den Dogmen, die wissenschaftliche Darstellung bestimmter Lehren.

Im allgemeinen verbindet man den Begriff mit der Theologie, mit der er nach weitverbreiteter Auffassung auch am ehesten verbunden ist. Er ist aber Bestandteil jeden Fachgebiets, also auch der Rechtswissenschaft.

Ursprünglich hatte dieser Begriff starken Praxisbezug, im 19. Jahrhundert änderte sich jedoch die Zielrichtung hin zu einer stärkeren Theoriebezogenheit. Heute ist der Praxisbezug fast weggefallen, so daß Rechts-Dogmatik die wissenschaftliche Lehre der Rechtswissenschaft meint.

Vorsicht aber, wenn jemand eine "dogmatische Forderung" aufstellt: Oft fehlt jede ersichtliche Begründung, und auch auf Nachfragen kann die betreffende Person beim besten Willen keine akzeptable nachliefern. Ein Beispiel von Prof. Herberger hat mir da besonders gut gefallen: "Wer A sagt, muß auch B sagen." Gegenfrage: Wieso, zur Hölle? Jede Wette, da kann man Leute schwitzen sehen ... ;-)

Methode

"Methode" kommt aus dem griechischen und setzt sich zusammen aus (bitte um Nachsicht, kann kein griechisch) met und hodos: "mit" und "Weg", meint also "miteinander einen bestimmten Weg gehen".

Methodisch arbeiten ist ein soziales Tun. (Der Rechtsphilosoph Gadamer meinte dazu: "Nur wer mitgeht, spürt, daß es ein Weg ist.")

Der Weg von einem Problem/einer Frage zu einer Lösung/einer Antwort besteht nun konkret darin, alle Teilschritte, die man geht, zu benennen, weil mir sonst ja keiner folgen kann (im übertragenen Sinne), weil also keiner weiß, was ich denn da tue. Hier gibt es dann auch Parallelen zur Informatik: Da ist die Methode, ein Problem zu lösen, nämlich ein Algorithmus.

B) Was tun Juristen?'

ARGUMENTIEREN 'als juristische Kerntätigkeit: die "juristische Methodenlehre" hat das Ziel, juristische Argumentation zu lehren; Fortsetzung dazu im 3. (?) Semester: Vorlesung "Logik für Juristen" Cicero: "Argumentation ist, was in einer zweifelhaften Situation Überzeugung herbeiführt." => Argumentation ist situations- und auditorium-gebunden: Was sage ich für wen? (!!!) aufgeworfene Frage/ methodisch-philosophisches Problem: Gibt es Argumente, die immer Argumente bleiben, egal, wann sie für wen auch immer gesagt werden?

' schreiben ': Ziel dabei ist die klare Gliederung eines Gedankengangs und ein Ergebnis. Wichtig: gutes, verständliches Deutsch, dh statt Nominal- lieber Verbalstil, keine verschachtelten Sätze etc. Literaturempfehlungen: Ludwig Reiners, Stilfibel. Tonio Walter, Kleine Stilkunde für Juristen

' rechnen ': früher (römisches Recht) galt: iudex non calculat, der Richter rechnet nicht. (-> dafür gab es Sklaven), heute gilt das nicht mehr: Steuerrecht, Familienrecht

' streiten ': ethische Implikation: Sein (empirisch) und Sollen (normativ): Sollten Juristen eigentlich gar nicht streiten (-> Mediation) und tun es aber oder ist es ihre originäre Aufgabe zu streiten?

' richten '

' schlichten ': Mediation, "Schlichten statt Richten"

' lernen ': braucht glaube ich keinen weiteren Kommentar...

' beraten ': Leitidee für die anwaltliche Tätigkeit; Gespräch, zuhören: Was will der Mandant eigentlich? "Jurisprudenz": -> prudentia: Klugheit, kluger Rat; providentia: von providere, in die Zukunft sehen

' beurteilen ': juristische Grundlagenkompetenz: kritische Beurteilung -> Aufklärung, Kant ("Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit")

' subsumieren ': (SubSumtion) juristische Falllösungstechnik

juristisches Zeitgeschehen(neuer Block zu Beginn der Vorlesung)

Tod von John Rawls. Dieser Tage (24. November) starb John Rawls; er wurde 81 Jahre alt. Rawls war (Rechts-)Philosoph, der an der Uni Harvard lehrte. Sein von Rousseau und Kant inspiriertes Hauptwerk aus dem Jahre 1971 heißt "Theorie der Gerechtigkeit", und laut Prof. Herberger ist das ein Buch, das "jeder Student bis zu seinem Examen mindestens in Auszügen, vielleicht sogar ganz gelesen haben sollte". Darin zeigt er, wie "Staatswesen zum Guten finden könnten" - nämlich durch Bürger, die sich zur Fairness verpflichtet sähen, und zwar unabhängig von den konkreten Rollen, die sie in ihren Leben in diesem Staat dann jeweils spielen. (SPIEGEL-Leser wissen mehr.) Ich nehme an, das heißt in etwa, daß ein Handwerker genauso viel (oder wenig) zum "moralischen Gelingen" eines Staates tun soll und muß wie der Bundeskanzler in seiner Funktion, daß also beide gleichermaßen "staatstragend" sind. Ganz konkret hieße das wohl: Nicht auf die moralisch korrupten und schlechthin verkommenen Politiker schimpfen, sondern selbst auch an der Obst- und Gemüsewaage im Supermarkt ehrlich sein.

- Und das klingt nun wiederum so, als solle man das tasächlich doch mal lesen.

(weiteres zu Rawls siehe auch unten)

C) Juristische Kerntätigkeit: Argumentation

Cicero sagt: "Argumentation ist, was in einer zweifelhaften Situation Überzeugung herbeiführt." Sie ist also

Methodische Probleme:

Gibt es Argumente, die immer Argumente sind und bleiben, egal, wem und wann auch immer sie gesagt werden, die aus sich selbst heraus wahr sind? Wann sind Argumente überhaupt "wahr"? Wann ist ein Argument ein Argument?

Was ist ein Argument?

Nach der Korrespondenz-Theorie ist ein Argument wahr, wenn es für einen bestimmten Sachverhalt zutrifft, wenn es also mit ihm korrespondiert. Das Problem dabei ist oft die Ermittlung des Sachverhalts.

Nach der Kohärenz-Theorie ist eine Summe von Sätzen dann wahr, wenn diese in sich logisch widerspruchsfrei sind. (Philosophische Brücke zum Konstruktivismus)

Die Konsens-Theorie erkennt ein Argument dann als solches an, wenn es von einer bestimmten Personengruppe als wahr anerkannt wird; hier müssen potentiell alle zustimmen können. Hier klingt die geliebte und gefürchtete "herrschende Meinung" an, mit Brücken zum Demokratie-Gedanken in Politik und Philosophie im Allgemeinen und im Staatsorganisationsrecht im Besonderen.

Und hier kam Prof. Herberger nochmal kurz auf Rawls zurück. Der führte über diese Frage nämlich eine rechtsphilosophische Debatte mit Habermas: Habermas vertrat die Ansicht, daß die Konsens-Theorie den Vorzug verdiene, wohingegen Rawls der Meinung war, "man dürfe auch die Korrespondenz-Theorie nicht völlig außen vor lassen" (Prof. Herberger).

Und als ich mich gerade so fragte, für welche ich mich entscheiden würde, und ob ich das überhaupt tun muß, da sich die drei Theorien ja nicht unbedingt widersprechen, kam der erwartete Hinweis, daß Juristen alle drei benutzen würden, je nachdem, welche sich gerade am besten zur Argumentation eigne. (grins)

Vorsicht: Toulmin!

Praxisbezug schafft nun Stephen Toulmin ("The Uses of Argument"), der an ein Argument zwei praktische Forderungen stellt: Zum einen muß es (das Argument) sich immer auf ein konkretes Problem beziehen, zum anderen stützt es sich immer (immer, immer, IMMER!!!) auf eine bestimmte Grundlage, und zwar idealerweise auf ein konkretes, bestimmtes, zu benennendes Gesetz, aber auch auf die Rechtssprechung und/oder die Fachliteratur. (Darauf bezieht sich ein laut Prof. Herberger früher gebräuchliches Bonmot, wonach ein Jurist, der sich in seiner Argumentation nicht auf ein bestimmtes Gesetz beziehe, vor Scham erröten solle.)

D) Gesetze als Argumentationsgrundlage

Warum ist das Gesetz die beste Argumentationsgrundlage?

Juristen stützen sich bei ihrer Argumentation primär auf Gesetze; dies ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip im Allgemeinen und (Vorsicht: Toulmin!) den Art. 20 III, 103 II und 97 I GG im besonderen.

Rechtsphilosophischer Exkurs: Widerspruchsfreiheit der Normordnung

Problematisch ist hier aber (...!!) die vom BVerfG geforderte "Widerspruchsfreiheit der Normordnung" (Vorsicht: Toulmin! Hier bitte Fundstelle nachtragen, wer sie gerade bei der Hand hat), denn es versteht sich von selbst, daß ich mich nur dann auf ein Gesetz berufen kann, wenn dieses insgesamt ohne innere Widersprüche ist, denn hat es solche, ist es ungerecht und taugt nicht als Grundlage. Im obigen Fall könnte nun in der Formel "Recht und Gesetz " auf der einen Seite und "nur dem Gesetz unterworfen" auf der anderen ein solcher Widerspruch liegen: Was denn nun, "nur" oder "und"?? Das Bunderverfassungsgericht hat diesen scheinbaren Widerspruch wegdefiniert, indem es "Recht und Gesetz" zu einer Paarformel erklärte (siehe auch "Haus und Hof", "Kind und Kegel", "Sack und Pack"), einem feststehenden Ausdruck also, der nicht auseinanderdividiert werden könne; es gäbe kein Recht außerhalb des Gesetzes, so das BVerfG.

Will man kein Recht außerhalb des Gesetzes anerkennen, ergibt sich aber natürlich die Situation, daß man auf das niedergeschriebene, materielle Recht festgelegt ist, und zwar immer: auch in Unrechts-Regimen, bei Schusseligkeit des GesetzGebers, in einer Welt, die sich schneller wandelt als die Legislative nachhinkt (oder sogar bemerkt...) - einfach immer eben. Kein Naturrecht, keine Strafbarkeit der Mauerschützen, keine Menschenrechte, wenn man nicht zufällig das Glück hat, in einem Land zu leben, das diese materiell-rechtlich anerkennt -

- kommt das außer mir noch jemandem ziemlich daneben vor?

Der richtige Gesetzestext

Das Bundesgesetzblatt

Es kann nur eines geben ... In diesem Sinne habe ich die Ausführungen dazu auf die Seite BundesGesetzBlatt verschoben.

Die Änderungstechnik

Wenn der GesetzGeber ein Gesetz ändert, benutzt er die Änderungstechnik, d.h. im Bundesgesetzblatt wird nicht der geänderte Gesetzestext abgedruckt, sondern nur die Änderungsanweisung selbst; der neue Gesetzestext wird dann von den JuristischeVerlage produziert, die die Änderungsanweisung auf das Gesetz "anwenden" (den Gesetzestext konsolidieren). Problematisch dabei ist die hohe Fehleranfälligkeit der Änderungstechnik im Allgemeinen und der Konsolidierung durch die JuristischeVerlage im Besonderen:

Die Auslegung der Gesetze

Gesetzesauslegung ist methodische Arbeit, mit der sich die Hermeneutik befasst, von griechisch hermeneus, Dolmetscher; das deutet schon auf einen Übersetzungsprozess hin.

Literaturhinweise: An dieser Stelle fiel, wie schon häufiger, der Name Gadamer, der sich in seinem Werk "Wahrheit und Methode" mit der philosophischen Hermeneutik befasst. (Da dieser Name in schöner Regelmäßigkeit immer wieder genannt wird, empfiehlt sich hier wohl ein wenig "forschendes Lernen"...) Außerdem nannte Prof. Herberger Engisch, "Einführung in das juristische Denken", der den Begriff des "hin- und herwandernden Blickes" geprägt hat (Blick wandert, denke ich, zwischen einem Tatbestandsmerkmal bzw dessen Definition und dem konkret vorliegenden Sachverhaltsmerkmal hin und her: "Geht's noch oder beißt mich der Korrektor ins Bein, wenn ich's tue?")

Aufgabe der Auslegung ist die "Herauslegung" einer Bedeutung aus einem juristischen Begriff; eine auf den ersten Blick witzige, dann aber höchst problematische Frage: Was, wenn keine drinne ist, keine Bedeutung? -> daher der Begriff der Leerformel, die genau das ist: leer.

Es gibt viereinhalb (grins) Methoden der Gesetzesauslegung:

Die Auslegung aus dem Sprachgebrauch

Ein Gesetzestext besteht aus Worten; die erste Auslegungsmethode besteht darin, sich diese Worte vorzunehmen und sich zu fragen, was sie bedeuten. Auf diesem Wege kann man interpretieren, was der GesetzGeber mit seinem Tun erreichen wollte.

Oft werden hier verschiedene andere Ausdrücke gebraucht, die Prof. Herberger aber ablehnt, weil zu ungenau oder weit. So würde sich die grammatikalische Auslegung ausschließlich mit dem Satzbau beschäftigen, dem formal richtigen Sprachgebrauch; philologische Auslegung würde sich mit Sprache und Text im Allgemeinen befassen, und Auslegung nach dem Wortlaut bezieht sich nur auf das akustisches Phänomen, transportiert aber keinerlei Bedeutung. Gesetze sind Texte, die sich an die Zielgruppe "Mensch" oder "Bürger" richten; diese sollen sie beachten. Damit sie das können, müssen sie sie aber verstehen. Verstehen kann man einen Text aber nur, wenn er dem eigenen Sprachgebrauch folgt; ergo: Auslegung aus dem Sprachgebrauch.

Befolgen kann ich Gesetze aber nur, wenn ich sie auch verstehe. Das BundesVerfassungsGericht spricht hier in ständiger Rechtsprechung von der Normklarheit als einem Verfassungsprinzip. Selbstverständlich ist das eine Idealisierung, denn vollständige Klarheit jedem einzelnen Bürger gegenüber ist niemals erreichbar, ebensowenig wie die oben bereits erwähnte völlige "Widerspruchsfreiheit der Normordnung"; der GesetzGeber sollte aber auch hier "immer strebend sich bemühen" (Goethe / Faust). Und da Gesetze nun einmal nicht aus sich selbst heraus verständlich sind, wie wünschenswert das aus rechtsphilosophischer Sicht auch sein möge, braucht die Welt Juristen als Mittler zwischen Anspruch und Wirklichkeit, und Juristen brauchen ein Studium. ( - Da drängt sich einem doch die Frage auf, mit wem man mehr Mitgefühl haben muß ...)

Problematisch bei der Auslegung aus dem Sprachgebrauch sind außerdem vor allem drei Punkte:

Die historische Auslegung

Die historische Auslegung beschäftigt sich mit der Norm in ihrem geschichtlichen Zusammenhang: Findet man Materialien der Rechtsgeschichte, die die Entstehung der Norm begleiten (zB Mugdan, Gesammte Materialien zum BGB; zu aktuelleren Gesetzen etwa Parlamentsdebatten, auch Referenten-Entwürfe, Drucksachen oder ähnliches), findet man auf diese Weise Hinweise darauf, was der GesetzGeber eigentlich gemeint hat und geregelt haben wollte.

Hierbei hat der "sich-um-Auslegung-Bemühende" zwei Probleme:

Die systematische Auslegung

Diese Auslegungsmethode betrachtet die Norm in der Gesetzessystematik: In welchem Zusammenhang, welchem Kontext steht die Norm? Gibt es um die Norm herum andere Normen, die Hinweise auf eine bestimmte Absicht des GesetzGebers geben? Warum hat er sie gerade da hingestellt und nicht an eine andere Stelle? Wie ist das gesammte Gesetz gegliedert und aufgebaut? Welche Struktur hat sie?

Hierbei ist zu beachten, daß die Kapitel-Überschriften der Gesetze nicht unbedingt amtliche Überschriften sein müssen, also Vorsicht bei der "Argumentation aus der Überschrift".

Die teleologische Auslegung

Diese Auslegung fragt nach dem Ziel des Gesetzes; "telos" (grch. "Zweck") verhilft der Vernunft in der Gesetzesauslegung zum Durchbruch, denn der Zweck eines Gesetzes bestimmt den Inhalt, den man "herauslegen" kann.

Die "halbe Methode": verfassungskonforme Auslegung

Eine "halbe Auslegungsmethode" ist das deshalb, weil es sich hier nicht um eine wirkliche Auslegung handelt, sondern eher um ein "Meta-Kriterium" für die Gewichtung der durch die anderen Auslegungsmethoden gefundenen Ergebnisse: Kommt man über die anderen (gleichberechtigten, siehe oben) Auslegungsmethoden zu widersprüchlichen Ergebnissen, so ist jenes Ergebnis zu wählen, das verfassungskonform ist, denn die Verfassung ist die übergeordnete Rechtsquelle, und deshalb eine Art "Schiedsrichter" zwischen den anderen Methoden bzw. deren Ergebnissen.

E) Urteile als Argumentationsgrundlage

Nach der juristisch stärksten Argumentation - der aus dem Gesetz - folgt die Argumentation aus Urteilen als zweitstärkste, denn auch Urteile sind vom Gesetz abgeleitet und deshalb taugliche Argumentationsgrundlage.

F) juristische Literatur als Argumentationsgrundlage

Die insgesamt schwächste Argumentation, sozusagen "aus zweiter Hand".

Die Berücksichtigung dessen, was andere Leute zu einem Thema gedacht und geschrieben haben, hat vor allem zwei Vorteile:

Insgesamt ist das aber eine gefährliche Sache:

Wie wissenschaftlich hat der Autor gearbeitet? Wie ist er zu seinen Informationen gekommen? ...und was da an Undurchsichtigkeiten mehr ist.

Also immer aufpassen.

G) Klausur-Technik

Bei juristischen Arbeiten ist zwischen Gutachten (meist 1. Examen) und Urteil (meist 2. Examen) zu unterscheiden. Daneben stehen praktische Arbeiten (Rechtsanwaltsgutachten, Vertragsausarbeitung (z.B. AGBs), Aktenvermerk oder richterliche Gutachten). Vermehrt werden an den Universitäten auch Sachfragen gestellt, in Bayern gibt es diese zum Teil in den Staatsprüfungen (z.B.: Stellen sie die Entwicklung des BGB dar).

Der Student an der Uni hat es zumeist mit dem Gutachten zu tun.

Der wesentliche Unterschied zum Urteil besteht darin, dass beim Gutachten das Ergebnis erst am Ende feststeht; beim Urteil die zuvor gefällte Entscheidung nachträglich begründet wird.

Gutachten: Der Täter KÖNNTE sich gemäß § 242 StGB strafbar gemacht haben, WENN ...

Urteil: Der Täter HAT einen Diebstahl gemäß § 242 StGB verwirklicht, WEIL ...

Eigentlich ist das Urteil daher ein umgedrehtes Gutachten. Beachtet aber, dass im Urteil (im Gegensatz zum Gutachten) nur zur Falllösung wesentliches dargestellt werden darf (vgl. § 313 ZPO). Der Student wundert sich immer, warum in einer Entscheidung nicht alle Tatbestandsmerkmale/Voraussetzungen geprüft werden, das ist der Grund hierfür.

Besonders diese Grundunterscheidung fällt jüngeren Studenten zum Teil schwer, man muss sie mühsam erlernen und stets beachten (Als Referendar darf man das dann alles wieder über Bord werfen... Wie das eben so ist... ).

Der Inhalt eines Gutachtens

Sachverhalt erfassen/verstehen

In jeder Anleitung wird dieser Punkt besonders hervorgehoben, in der Realität leider viel zu oft nicht beachtet (natürlich auch von mir). Selbst im Examen passieren einem so schlimme (und vermeidbare) Fehler.

In einem Gutachten untersucht man stets EINEN konkreten Fall, eben nicht allgemeine Fälle oder Probleme (die man zuvor nachgearbeitet hat).

Natürlich möchte man all sein Wissen abladen (gerade wenn man meint den Fall zu kennen) doch dies ist das Fatale: Alles nicht Gefragte ist falsch! Wirklich, es dient eben nicht zur Lösung DEINES Falles, sondern zur Lösung eines anderen - aber nicht gefragten - Falles. Dies wird sehr unterschätzt; der geneigte Leser der Arbeit will eben nicht seitenweise, ungefragte Erörterungen lesen, so toll und richtig diese sein mögen (er hat 50 Arbeiten auf dem Tisch und will zur Frau+Fernseher, so sieht die Realität aus).

Einige Beispiele die schon den Bearbeitervermerk betreffen:

Ein inhaltliches Beispiel aus dem öffentlichen Recht (durch eine glückliche Fügung bin ich an die Original-JPA-Lösung gekommen, was mir sehr geholfen hat):

Löst Euch kurz inhaltlich vom Problem. Unabhängig ob Ihr die Entscheidung gut oder schlecht findet, dies ist eine sehr beliebte Vorgehensweise vom JPA. Ein alter Hut kommt dran; es kommt aber im konkreten Fall gar nicht auf den Streitstand an, sondern man streift das Problem nur kurz und sagt dann, dass es auf diese Entscheidung in DIESEM Fall nicht ankommt. Das sieht sehr elegant aus, kostet wenig Zeit, und der geneigte Leser muss bei Euch nicht das Gesabbel über die 2-Stufen-Theorie lesen (denn das schreiben 90 % der Bearbeiter). Er freut sich - kommt früher zum Fernseher - und belohnt Euch mit Punkten.

Den Sachverhalt richtig zu verstehen und zu erfassen ist von entscheidener Bedeutung (wobei hier der Übergang zur Lösung bereits fließend ist).

Klausur gliedern

Nachdem man den Fall verstanden hat, kann/sollte man an die Lösung herangehen. Die Gliederung muss die vollständige Lösung des Falles enthalten, darf weder zu lang noch zu kurz sein. Ich würde dazu raten, später (beim schreiben) nicht mehr von der einmal erstellten Gliederung abzuweichen, man vertut sich nur (so ging es mir zumindest).

Der Obersatz

in Bearbeitung

Ein Gutachten - JEDES Gutachten - beginnt mit einem Obersatz, und der beantwortet die grundlegene Frage: Worum geht's hier eigentlich? Er nennt die Anspruchsgrundlage und leitet die Prüfung ein.

Im Strafrecht nennt der Obersatz Täter, Tathandlung, Taterfolg und das zu prüfende Delikt.

Die Anspruchsgrundlage

Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§194 Abs.1 BGB). Eine Anspruchsgrundlage besteht aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge: Wenn der Tatbestand erfüllt ist, greift die Rechtsfolge.

Tatbestandsmerkmale

Der Stil eines Gutachtens

in Bearbeitung

Klausur schreiben

Wenn man mit der Gliederung fertig ist, geht es eigentlich nur noch an das Schreiben der Klausur, denn - wenn man obige Schritte beachtet hat - ist dies eine reine Schreibarbeit. Für die große Denkarbeit, nicht mehr nötig ist.

Zeiteinteilung

Dies ist einer der schwierigen und umstrittenen Punkte.

Ich habe mich immer an Folgendes gehalten:

3 Stunden denken, 2 Stunden schreiben.

In den "Denkstunden" muss der komplette Fall verstanden und die gesamte Gliederung erstellt werden (meine Gliederung war oft umfangreicher, als die tatsächliche Lösung). Anschließend schreibt man seine Lösung nur noch auf. Wenn die Gliederung wirklich gut ist, ist dies reine Schreibarbeit. Meine Erfahrung war die, dass eine kürzeren Arbeiten, stets die besten waren, meine Traumleistung im 1. Examen 17 Seiten = 18 Punkte. Besonders im Strafrecht ergab bei mir stets, viele Seiten = erbärmliche Punkte.

Fazit

Anleitungen und Tipps für Klausuren sind immer Ansichtssache: das richtige Rezept ist Dein (hoffentlich erfolgreicher) Weg. Probiere möglichst viele Taktiken aus und schreibe so viele Klausuren (ehrlich!) und betrachte nüchtern Deine Ergebnisse.

Bei den Klausuren rate ich zu echten Uni-Klausuren. Mit Rep-Klausuren habe ich schlechte Erfahrungen gemacht, da die Sachverhalte irgendwie gekünstelt waren und doch Problemkreise abgefragt wurden, wie dies beim JPA in Berlin zumindest nicht war. Gegen Lösung und Korrektur hatte ich nie Einwände, aber mir haben die nicht so viel gebracht. Am besten ihr besorgt Euch echte Examenstexte, schreibt in Eurer AG und korrigiert dann selbst die Klausuren. Dabei lernt man wirklich sehr, sehr viel. Und das JPA widerholt sich durchaus, da sitzen eben Leute die immer nur Klausuren stellen, insofern...

Wenn Du gleich losschreiben willst/musst, dann tue es, es sind Deine Klausuren und Deine Punkte.

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JuristischesDenkenUndArbeiten (zuletzt geändert am 2012-07-11 13:35:55 durch anonym)