Dies ist das Archiv für alte Wiki-Probeklausuren aus dem Bürgerlichen Vermögensrecht.


Im Wintersemester 02/03 stellte ProfRüßmann folgende Anfängerklausur zur Verfügung:

Sachverhalt

E möchte sich von seinem gebrauchten Computer trennen, hat aber keine Lust, sich selber um den Verkauf zu kümmern. Er sagt seinem Freund F, dass dieser den Computer für ihn verkaufen solle, und erteilt dem F eine entsprechende Vollmacht. F trifft des Abends in seiner Stammkneipe den Studienkollegen K. Als K ihm erzählt, dass er einen Computer brauche, weil man jetzt auch schon im Jurastudium mit solchen Dingen arbeite, meint F, er könne ihm ein günstiges Angebot zu 1.000 € machen. Dabei vergisst F, deutlich zu machen, dass nicht er, sondern E den Computer verkaufen wolle. K versteht die Erklärung so, wie man sie in der gegebenen Situation verstehen musste: als ein Angebot des F. Er sagt zu F: Der Kauf ist perfekt!

Als K am nächsten Tag mit 1.000 € bei F erscheint, um den Computer abzuholen, will F den K gleich weiter zu E schicken. K sagt, mit E wolle er nichts zu tun haben. Er verlange den Computer von F. E, von F informiert, ruft K an, sagt ihm, dass er mit dem Handeln des F einverstanden sei und der Computer bei ihm abgeholt werden könne. Er verlangt Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.000 €. K lehnt ab. K verlangt statt dessen Lieferung des Computers von F. Das wiederum lehnt F ab. Er sagt: Ich habe keinen Vertrag mit K. Sollte ich mich missverständlich ausgedrückt haben, so fechte ich meine Erklärung gegenüber K an.

  1. Kann E von K Zahlung des Kaufpreises verlangen?
  2. Kann K von F Lieferung des Computers verlangen?


Vorgehen

Jetzt geht es darum, wie man zweckmäßigerweise an die WikiKlausurBvr herangehen kann. Alle - insbesondere die ErstSemesterSb - sind herzlich eingeladen, die Empfehlungen hier zu verbessern, weiterzumachen und und wenn es Fragen gibt, diese einfach zu stellen.

Der Sachverhalt

Es hat sich bewährt, noch vor der Lektüre des Sachverhaltes (siehe WikiKlausurBvr/SachVerhalt) zuerst die Fallfrage(n) zu lesen. Dann weiß man nämlich schon beim ersten Lesen des Sachverhaltes, in welche Richtung die Klausur geht und lässt sich nicht auf falsche Fährten locken.

Hier verlangt also E von K einen Kaufpreis und K von F die Lieferung eines Computers.

Schon beim ersten Lesen des Sachverhaltes kann man die handelnden Personen kennzeichnen, um sich später besser orientieren zu können, und wichtig erscheinende Begriffe unterstreichen (Bsp.: "für ihn verkaufen", "Vollmacht", "er könne ein Angebot machen", "vergisst", "weiter zu E schicken", "verlange", "mit dem Handeln des F einverstanden", "verlangt Kaufpreis", "verlangt Lieferung des Computers", "lehnt ab", "fechte an".

Außerdem sollte man ein Bildchen malen, in diesem Fall also ein Dreieck zwischen E, F und K.

Auch einen vermeintlich einfachen Sachverhalt sollte man sehr sorgfältig studieren, um nichts zu übersehen und sich keine falsche Vorstellung zu machen. Man kann sich das Geschehen bildlich vorstellen und sich in die Lage der handelnden Personen versetzen, um deren Interessen zu verstehen. Wie würde ich in der Lage des E / des K / des F reagieren?

Ansprüche und Anspruchsgrundlagen

Wer will was von wem und woraus? Hier geht es offenbar um zwei Ansprüche, die auch getrennt untersucht werden müssen.

Kaufpreis

E will von K den Kaufpreis. Hier liegt also die Anspruchsgrundlage auf der Hand: § 433 II 1. HS BGB (immer möglichst präzise benennen).

Exkurs: Wenn die Anspruchsgrundlage nicht so offensichtlich ist, sollte man immer das "SystemDerAnsprüche" (siehe z.B. Medicus, Bürgerliches Recht), das man auswenig lernen muss, durchgehen: Vertragliche Ansprüche, quasivertragliche Ansprüche, dingliche Ansprüche ...).

Sind die in Fage kommenden Anspruchsgrundlagen klar, kann man wieder schematisch vorgehen:

Anspruch entstanden? Anspruch untergegangen? Anspruch durchsetzbar? Nach diesen Vorüberlegungen können wir uns bezüglich Frage 1 schon der WikiKlausurBvr/Gliederung zuwenden.

Nachdem für die Frage 1 die WikiKlausurBvr/Gliederung klar zu sein scheint, können wir mit der WikiKlausurBvr/ReinSchrift beginnen. In einer echten Klausur sollte man natürlich erst noch die Frage 2 gliederungsmäßig lösen, bei der jetzt noch einige Fragen offen sind. Hier im Wiki schadet es aber wohl nicht, wenn wir jetzt einmal etwas unsystematisch vorgehen.

Lieferung des Computers

K verlangt von F die Lieferung des Computers; § 433 I S. 1 BGB


Gliederung

Frage 1: E --> K: Kaufpreis§ 433 II 1. HS BGB

Anspruch entstanden Kaufvertrag E-K Angebot: F -> K: "günstiges Angebot zu 1.000 Euro" Def. Angebot: WillensErklärung, die auf Abschluss eine Kaufvertrages usw. bitte ergänzen (+)

(P) Handelt es sich hierbei um ein Angebot des E, d.h. kann diese WillensErklärung des F dem E zugerechnet werden?

Stellvertretung, § 164 I S. 1 BGB

Vollmacht (+) im Namen des vertretenen (-) weder ausdrücklich, noch nach den Umständen (§ 164 I S. 2 BGB) Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip (-) -> § 164 I S. 1 BGB (-)

(P) E mit dem Handeln des F einverstanden = Genehmigung?

aber: §§ 177 I, 184 I BGB: Genehmigung bewirkt nur Wirksamkeit bei fehlender Vertretungsmacht, nicht aber bei fehlender Offenkundigkeit.

-> Auslegung: "Genehmigung" = Angebot des E

aber keine Annahme seitens K

-> Kaufvertrag (-)

Anspruch gem. § 433 II 1. HS BGB gar nicht erst entstanden.


Könnte man hier auch anstatt das Offenkundigkeitsprinzip zu nennen, über § 178 BGB gehen? Schließlich erfolgte der Widerruf des K vor der Genehmigung durch den E.

Der Widerruf gemäß § 178 BGB setzt ebenso wie die Genehmigung nach 177 BGB voraus, dass ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, was bei uns ja gerade nicht der Fall ist (F hatte Vollmacht). Dass die Stellvertretung fehlschlägt liegt daran, dass F nicht im Namen des E auftrat. Von daher ist es m.E. schon richtig, auf das Offenkundigkeitsprinzip abzustellen. Wenn man dann kurz darauf eingeht, dass die Genehmigung des E nichts nutzt (weil 177 BGB nicht einschlägig ist), fragt sich, ob man dann auch noch erwähnen muss, dass abgesehen davon auch noch ein Widerruf des K gemäß § 178 BGB vorgelegen hätte. Ich halte das für überflüssig.

Frage 2: Anspruch des K gegen den F auf Lieferung des Computers§§ 433 I 1, 320,322

OffeneFrage: § 320 ist doch eine Einrede, also gerade keine Anspruchsgrundlage für die Lieferung des Computers und deshalb hier nicht zu nennen, oder? Uns wurde in der AG von Dr. Bergmann aber auch beigebracht, als "Zug-um-Zug-Vorschriften" hier die §§ 320, 322 BGB anzuführen. Vergleiche auch mal mit der Probeklausurbesprechung. Mir kommt das deshalb komisch vor, die §§ 320, 322 hier zu nennen, weil F doch gar nicht die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erhebt. In der weiteren Lösung des Falles wird dann ja auch gar nicht mehr darauf eingegangen. Also: Sollte F zur Leistung verurteilt werden, könnte K maximal eine Verurteilung des F Zug um Zug gegen Geld erhalten (eben wegen § 320 BGB). Insoweit kann man vertreten, dass § 320 BGB oben drin steht. Retten/In den Abgrund stürzen dürfte die Klausur beides nicht. Jedoch: Wenn § 320 BGB im Obersatz steht, darf es nicht unten vergessen werden. Anspruch entstanden Zustandekommen eines Kaufvertrages F-K? Antrag (ist nach objektiver Auslegung i.S.d §§ 133, 157 seitens des F als Angebot im eigenen Namen abgegeben worden) Annahme (seitens des K:"Der Kauf ist perfekt") ==> Angebot und Annahme liegen vor, Kaufvertrag (+)

rechtshindernde Einwendung: Anfechtung wg. Irrtum (Wille und Erklärung fallen auseinander), § 119 I BGB Inhaltsirrtum oder Erklärungsirrtum?

Erklärungsirrtum, § 119 I 2. Alt. BGB: Der Erklärende gibt die Erklärung in einer Form ab, in der er sie nicht abgeben wollte, bsp. versprochen, verschieben, vergriffen.

Inhaltsirrtum, § 119 I 1. Alt. BGB: Der Erklärende irrt sich über den Inhalt dessen, was seine Erklärung bedeutet. Der Erklärende weiß zwar, was er sagt, aber nicht, was es bedeutet.

hier: F "vergisst", die Stellvertretung offenzulegen, d.h. kein Fall des Versprechens, sondern ein Verkennen der Bedeutung des Gesprochenen -> Inhaltsirrtum (vielleicht könnte man das auch offenlassen??)

WillensErklärung (Antrag) des F aufgrund einer Anfechtung nach § 142 I nichtig?

Anfechtungserklärung § 143 (+) Anfechtungsgrund (Irrtum nach § 119 I, siehe Vorüberlegungen) (+) Anfechtungsfrist (+) (weil unverzüglich) aber: Anfechtung aufgrund der Spezialiätenregelung des § 164 II ausgeschlossen? Tatbestandsmerkmale sind erfüllt --> Anfechtung wegen Irrtum ausgeschlossen

==> WillensErklärung (Antrag) des F ist gültig

==> wirksamer Kaufvertrag zwischen K und F besteht

==> Anspruch des K gegen F auf Lieferung des Computers aus einem Kaufvertrag entstanden

unerheblich, dass F weder Eigentum, noch Besitz an dem Rechner, da er sich dieses verschaffen kann (keine Anhaltspunkte, dass E sich weigert, sonst würde Anspruch untergehen gemäß § 275 BGB.

§ 320 BGB (-): Keine Zug um Zug Einrede durch F erhoben.

Ergebnis: K hat gegen F einen Anspruch auf Lieferung des Computers.


Reinschrift

E kann von K die Zahlung des Kaufpreises verlangen, wenn er einen Anspruch darauf hat. Ein solcher könnte sich aus § 433 II 1. HS BGB ergeben.

Damit ein solcher Anspruch entsteht, müsste zwischen E und K ein Kaufvertrag geschlossen worden sein. Ein Vertragsschluss setzt einen Antrag (§ 145 BGB) und dessen Annahme voraus. Der Antrag ist eine WillensErklärung, mit der die eine Partei der anderen den Abschluss eines Kaufvertrages in der Weise anbietet, dass die andere Partei nur noch vorbehaltlos zustimmen muss, damit ein Kaufvertrag zustande kommt.

Es fragt sich also, ob E dem K ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages gemacht hat.

Zunächst einmal hat nicht E, sondern F dem K ein Angebot unterbreitet, indem er sagte, er könne ihm ein günstiges Angebot zu 1.000 € für einen Computer machen. Dieses Angebot hat K auch angenommen ("Der Kauf ist perfekt"). Dies würde dann zu einem Vertragsschluss zwischen E und K führen, wenn F als Stellvertreter des E gehandelt hat, § 164 I S. 1 BGB. Grundsätzlich wirken WillensErklärungen zugunsten und zulasten des Erklärenden. Bei der Stellvertretung aber wirkt die WillensErklärung gemäß § 164 I S. 1 BGB nicht gegen den Stellvertreter, der die Erklärung abgibt, sondern gegen den Vertretenen. Es müssten also die Voraussetzungen der Stellvertretung erfüllt sein. Zwar hatte F die erforderliche Vollmacht, er müsste das Angebot aber auch im Namen des Vertretenen abgegeben haben. E hat aber gerade nicht deutlich gemacht, dass nicht er, sondern E der Käufer sein solle. Da K ein Interesse daran hat, zu wissen, wer sein Vertragspartner ist, kann auch keine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip gemacht werden. Die Voraussetzungen der Stellvertretung liegen nicht vor, das Angebot wirkt nicht für E gemäß § 164 I S. 1 BGB, so dass die WillensErklärung des F jedenfalls nicht unmittelbar zu einem Vertrag zwischen E und K führen kann.

Es fragt sich, ob die Äußerung des E gegenüber K, er (E) sei mit dem Handeln des F einverstanden, zur Wirksamkeit des Vertrages gegenüber E gemäß §§ 177 I, 184 I BGB führt. Schließt ein Vertreter ohne Vertretungsmacht einen Vertrag für jemand anders ab, so hängt gemäß 177 I BGB die Wirksamkeit des Vertrages für oder gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab. Die Genehmigung überwindet gemäß §§ 177 I, 184 I BGB also die fehlende Vertretungsmacht. F handelt aber nicht ohne Vertretungsmacht - E hatte ihm ja Vollmacht erteilt - sondern er legt bloß weder offen, dass er in fremden Namen handelt, noch lässt sich dies aus den Umständen entnehmen. An der fehlenden Offenkundigkeit der Stellvertretung vermag aber auch die Genehmigung nichts zu ändern. Die Genehmigung führt also nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss zwischen E und K.

Die Genehmigung ist zwar als neues, eigenes Angebot des E auf Abschluss eines Kaufvertrages auszulegen, dieses hat K aber nicht angenommen.

Ein Vertrag zwischen E und K ist also nicht zustande gekommen.

E kann von K nicht die Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 II 1. HS BGB verlangen.

Frage 2 Anspruch des K gegen den F auf Lieferung des Computers§§ 433 I 1, 320,322K könnte einen Anspruch auf Lieferung des Computers gegen F aus § 433 I 1 BGB haben. (-> oder §§ 433 I1, 320, 322 BGB; siehe Diskussion in der Gliederung)

Hierzu müsste ein wirksamer Kaufvertrag zwischen K und F geschlossen worden sein.

F hat einen Antrag auf Verkauf eines Computers für 1000 EUR abgegeben. Wie oben festgestellt, lag hierbei keine Stellvertretung des E durch F vor. Vielmehr ist nach der Würdigung eines objektiven Dritten gem § 133, 157 BGB das Angebot als eines des F an K auszulegen. K hat dieses Angebot angenommen. Ein Kaufvertrag ist zwischen beiden zunächst zustande gekommen.

Jedoch könnte der Kaufvertrag wegen Anfechtung des F gem § 142 BGB nichtig sein. Hierzu müsste ein Anfechtungsgrund vorliegen und F eine Anfechtungserklärung innerhalb der Anfechtungsfrist abgegeben haben. Ferner dürfte die Anfechtung nicht ausgeschlossen sein.

Als Anfechtungsgrund könnte ein Inhaltsirrtum des F gem § 119 I 1 1. Alt. vorliegen.

(...)

WikiKlausurBvr/Archiv (zuletzt geändert am 2014-08-27 18:16:25 durch anonym)