1. Staatsgrundlagenbestimmungen / Verfassungsrechtliche Grundentscheidungen; Staatsziele

1.1. In welchen Bestimmungen des Grundgesetzes sind die grundlegenden normativen Festlegungen für die Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland enthalten?

Folgende Verfassungsgrundsätze sind Gesicht und Geist ;-) des Grundgesetzes:

1.2. Welche Bedeutung haben sie?

Die maßgeblichen Richtlinien für den Aufbau unseres Staates:

1.3. Wie sind die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen von weiteren Regelungen und Rechtsinstituten auszugrenzen?

Literaturtipp Gröpl: (Badura, Staatsrecht, Teil D, Rdnrn. 1 ff.; Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rdnrn. 3 ff. )

1.4. Was sind Staatszielbestimmungen und wo enthält das Grundgesetz solche?

Staatszielbestimmungen sind den Programmsätzen d. Verf. verwandt, die eigentlich nur richtungsgebenden Charakter haben. Sie verbürgen also keine individuellen Ansprüche, wie etwa die Grundrechte. Zu den Staatszielbestimmungen gehören zum Beispiel das Sozialstaatsprinzip, der Umweltschutz, Art. 20a GG, aber auch trotz der auf ein Grundrecht hindeutenden Formulierung ein "Recht auf Arbeit" oder "Recht auf angemessene Wohnung"

Lit.Tipp Gröpl: Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rdnrn. 9 f.

1.5. Wie unterscheiden sich Staatsziele von Grundrechten?

Wie oben bereits angedeutet, liegt der wesentliche Unterschied darin, dass Grundrechte einen ganz individuellen Anspruch erheben, die jeder Einzelne für sich einfordern kann.

(Im Gegensatz zu den Grundrechten räumen die Staatszielbestimmungen dem Bürger keine subjektiven, einklagbaren Ansprüche ein.)

Grundrechte sind auch keine bloßen Programmsätze, sondern binden nach Art.1 III GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Die Staatszielbestimmungen unterliegen gegebenenfalls Veränderungen, die politisch gewollt und herbeigeführt werden.

Lit.Tipp Gröpl: Maurer, Staatsrecht I, § 6 Rdnr. 18, § 9 Rdnrn. 1 ff.

2. Staatsgrundlagenbestimmungen / Demokratie: Staatsvolk, Volkssouveränität, LegitimationFragen und Literaturhinweise

2.1. Wer ist das Volk im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG?

"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Grundsatz der Volkssouveränität! Dieser Art. bringt die im GG verstreuten Bestimmungen über die Willensbildung des Volkes und das parlamentarische Regierungssystem auf eine Kurzformel. Sind hierbei nur die Wahlberechtigten berücksichtigt?

BVerfG 1990: "...es ist das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland." (Staatsbürger)

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 83, 37 (51 ff.); Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rdnrn. 21 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 39 ff.

2.2. Was beinhaltet der Satz "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"; (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG)?

Die Staatsgewalt geht in einer ununterbrochenen demokratischen Legitimationskette vom Volke aus. (Ohne Legitimation keine Staatsgewalt)

Lit.Tipp Gröpl: Badura, Staatsrecht, Teil D; Rdnr. 6, Degenhardt, Staatsrecht I, Rdnrn. 12 ff.

2.3. Ein Institut für Meinungsforschung führt eine Volksbefragung über ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung durch, bei der sich 90 % der Befragten gegen das Gesetz entscheiden. Dennoch wird das Gesetz in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise erlassen. Ist das Gesetz gültig?

Es ist hier unerheblich, was ein Meinungsforschungsinstitut ermittelt, denn aufgrund der vorangegangenen Wahlen ist die Legitimation der Legislativen gegeben und damit das Gesetz gültig.

Lit.Tipp Gröpl: Badura, Staatsrecht, Teil E, Rdnr. 11

2.4. Ein Landeswahlgesetz bestimmt, dass im Fall der Ablehnung der Wahl durch den gewählten Kandidaten oder im Fall des Todes eines Abgeordneten die Reihenfolge, in der Bewerber nachrücken, jederzeit ändern können. a) Ist das Gesetz mit den Grundsätzen demokratischer Legitimation vereinbar? Muss es das als Landesgesetz überhaupt sein?

Das Landesgesetz muss mit dem Bundesgesetz übereinstimmen. (Homogenitätsprinzip) Eine unmittelbare Wahl setzt voraus, dass es keine Zwischeninstanz gibt, dass der Wähler seine Stimme einer bestimmten Person zurechnen kann. Die Nachrückerfolge muss unabänderlich klar sein, so läßt es sich aus den demokratischen Wahlgrundsätzen schließen.

2.5. Welche Verfassungsnorm bestimmt hier den Maßstab der erforderlichen Legitimation auf Bundesebene?

In Artikel 38 I werden die erforderlichen Wahlgrundsätze der Bundesrepublik formuliert. (allgemein, unmittelbar, frei, gleich, geheim)

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 7, 77 (84 ff.) – Nachrücker.

3. Staatsgrundlagenbestimmungen / Demokratie: Wesensmerkmale,

3.1. Wo taucht im Grundgesetz der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auf?

Hierzu habe ich einfach im Stichwortverzeichnis meines GG nachgesehen...

namentlich in Art. 10 II [Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis], Art. 11 II [Freizügigkeit], Art. 18 [Verwirkung von Grundrechten], Art. 21 [Parteien],

3.2. Was ist darunter zu verstehen?

Das Bundesverfassungsgericht sagt hierzu: "... die FDGO lässt sich als eine Ordnung verstehen, die unter Ausschluss von Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit, Freiheit und Gleichheit darstellt.

Laut Bundesverfassungsgericht zählen zu den Prinipien der FDGO:

3.3. Gibt es einen Unterschied zwischen der "FDGO" ; und den in Art. 79 Abs. 3 GG vor einer Verfassungsänderung geschützten Kernbestandteilen der Verfassung?

Kernbestandteile der durch Art. 79 III geschützten Normen sind Menschenwürde (Art. 1), Verfassungsgrundsätze (Art. 20)

Die FDGO beinhaltet hingegen nur einen Teil der in Art. 20 durch Art. 79 geschützten Prinzipien

3.4. F ist Chefredakteur und Verleger einer als rechtsradikal bekannten Zeitung. Seine nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Veröffentlichungen erregen im In- und Ausland immer wieder Aufsehen. Nicht selten wird die Existenz dieses Publikationen im Ausland als Beleg dafür angesehen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland ernstzunehmende neonazistische Tendenzen gibt. Mit welchem verfassungsrechtlichen Verfahren könnte hier gegen F vorgegangen werden?

Art. 18 GG [Verwirkung von Grundrechten] "Wer die Freiheit der Meinungsäußerung insbesondere Pressefreiheit [...] zum Kampfe gg. die freiheitliche Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte." http://rsw.beck.de/bib/default.asp?vpath=/bibdata/ges/GG/cont/GG.A18.htm Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das BVerfG ausgesprochen. Art. 94 GG [Zusammensetzung des Bundesverfassungsgericht] Das Verfahren im Einzelnen wird im BVerGG geregelt. Das Verfahren findet sich in § 39 BVerfGG.

Der Antrag auf ein solches Verwirkungsverfahren kann von der Regierung, dem Bundestag, oder einem Länderparlament getsellt werden.

4. Staatsgrundlagenbestimmungen / Demokratie: Opposition

4.1. Der Bundestag beschließt eine Änderung des § 10 seiner Geschäftsordnung (GOBT), nach der Fraktionen künftig nur noch von 10 % der Mitglieder des Deutschen Bundestags gebildet werden können. Die Fraktion der G-Partei, die bisher mit 35 Abgeordneten im Bundestag vertreten war, würde aufgrund dieser Änderung ihren Fraktionsstatus verlieren. Wäre die Änderung verfassungsmäßig?

$ 10 GOBT [Bildung der Fraktionen] http://rsw.beck.de/bib/default.asp?vpath=/bibdata/ges/GOBT/cont/GOBT.P10.htm Im Art. 40 GG finden wir die Bestimmung, dass sich der Bundestag generell eine Geschäftsordnung geben kann. Man könnte demnach, davon ausgehen, dass die Bestimmungen frei festgelegt werden könne. Dem aber steht Art. 38 entgegen, welcher besagt, dass die Wahl gleich sein muss [Zählwert + !Erfolgswert!] Fraglich ist, ob bei einer Klausel von 10 % noch von Gleichheit die Rede sein kann.

Ein Verstoss gegen den Zählwert ist nicht gegeben! Ein Verstoss gg. den Erfolgswert könnte gegeben sein. Dieser ist allerdings auch bei einer 5 %-Klausel gegeben. Gerechtfertigt wird dies allerdings dadurch, dass die Handlungsfähigkeit des Parlaments gegeben sein muss. (Parteienzersplitterung) Eine Erhöhung auf 10 % ist bei der jetzigen Situation unzumutbar, da die Handlungsfähikeit sehr wohl gegeben ist.

4.2. Aufgrund einer großen Koalition können die Regierungsfraktionen im Bundestag die Zweidrittel-Mehrheit erreichen. a) Sie wollen diese Gelegenheit nutzen, um Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG nach Art. 79 Abs. 1 und 2 GG dahingehend zu ändern, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von nicht weniger als der Hälfte der Mitglieder des Bundestages beantragt werden kann. Steht diesem Vorhaben Art. 79 Abs. 3 GG entgegen?

Art. 44 I Satz 1 http://rsw.beck.de/bib/default.asp?vpath=/bibdata/ges/GG/cont/GG.A44.htm Art. 79 III (http://rsw.beck.de/bib/default.asp?vpath=/bibdata/ges/GG/cont/GG.A79.htm) steht dem nicht im Wege, da weder die Art. 1 und 20 berührt, noch die bundesstaatliche Gliederung, oder die Mitwirkung der Länder an der Gestzgebung beinträchtigt werden.

Nein. Dies kann jawohl nicht angehen. Das Recht zur Einberufung eines Untersuchungsausschusses ist ja gerade ein Mittel der Opposition... wie kann sich eine Opposition noch auf dieses Recht berufen, wenn sie mehr als die Hälfte der MdB für sich gewinnen müssten :( Das Demokratieprinzip wird hier leider auf den Kopf gestellt. Damit ist die Änderung unzulässig!

4.3. Die große Koalition will, ständiger kräftezehrender Wahlkämpfe leid, die Legislaturperiode mit sofortiger Wirkung auf 16 Jahre verlängern. Wäre eine entsprechende Änderung von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsmäßig?

Prinzipiell ist eine Änderung des Art. 39 möglich, da er nicht von der Ewigkeitsklausel umschlossen wird. Allerdings dürfte eine Legislaturperiode von 16 Jahren wohl zu lang sein, da die Funktion der Wahlen als demokratische ´Legitimation bei einer dermaßen langen Periode nicht gewahrt werden kann. Periodizität der Wahlen ist ein unabdingbarer Grundsatz der represäntativen Demokratie. Weiterhin wäre eine Änderung des Art. 39 I in Hinblick auf die aktuelle Legislaturperiode nicht nur abwägig, sondern sogar verfassunsgwidrig, da die derzeitige Koalition durch die Wähler nur auf 4 Jahre Regierungszeit legitimiert ist.

5. Staatsgrundlagenbestimmungen / Demokratie: Wahlen

5.1. Werden die Grundsätze der freien und geheimen Wahl durch die Briefwahl verletzt?

In § 36 BWahlG ist die Briefwahl geregelt. Laut BVerfGE verletzt die Briefwahl die Grundsätze der geheimen und freien Wahl nicht, ist aber als problematisch anzusehen und kann nur in besonderen Fällen gewährt werden, wie zB Krankheit oder beruflicher Abwesenheit. Problematisch ist die Briefwahl deshalb, weil die Grundsätze der geheimen und freien Wahl nicht kontrollierbar sind, wie es bei einem Urnengang der Fall wäre. So kann ein Wähler im Wahllokal nicht seine Stimmabgabe öffentlich vollziehen, was bei einer Briefwahl denkbar wäre.

Lit.Tipp Gröpl BVerfGE 59,119; Badura,Staatsrecht, Teil E, Rdnr. 3;Maurer, Staatsrecht I,§ 13 Rdnr. 13.

5.2. Anhand welches Begriffspaars prüft das BVerfG den Grundsatz der Gleichheit der Wahl und was ist darunter zu verstehen?

Gemeint sind hierbei die Begriffe "Zählwert" und "Erfolgswert". Zählwert: Jede Stimme hat den gleichen Zählwert, dh gleiche Gewichtung bei der Auszählung. Erfolgswert: Gleiche Gewichtung jeder Stimme bei der Verteilung der Sitze. (Eine Ausnahme bildet die 5%-Klausel, nach der Stimmen für eine Partei, die nicht im BT vertreten ist, keinen Erfolgswert haben, obwohl sie einen Zählwert haben.)

Lit.Tipp Gröpl: Ipsen, Staatsrecht I, Rdnr. 94; BVerfGE 51, 222 (236); BVerfGE 85, 148 (157 f.).

== Der deutsche Emigrant E bewirtschaftet seit 35 Jahren eine Farm in Kanada und kehrt nur gelegentlich zu Besuchen nach Deutschland zurück, hat die deutsche Staatsbürgerschaft jedoch nie abgelegt. Bei der anstehenden Bundestagswahl möchte er seine Stimme abgeben.

Welches Problem stellt sich dabei vor dem Hintergrund von Art. 38 Abs. 1 Sats 1 GG? Welche Bestimmung des BWahlG ist hier zu berücksichtigen? ==

Problematisch könnte doch sichelich sein, dass der E durch seine langanhaltende Abwesenheit nur schlecht über die politische Lage in Deutschland informiert ist.

Durch die modernen Massenmedien kann der E sehr wohl, vielleicht sogar besser informiert sein als so manch Seßhafter ;-)

Der E befindet sich im außereuropäischen Ausland, nämlich in Kanada. Gemäß § 12 II Satz 2 Nr. 3 verliert der E sein Wahlrecht nach 25 Jahren. Folglich verliert der E nach seinem 35 jährigen Kanadaaufenthalt (Lebensschwerpunkt) sein Recht sich an der BT-Wahl zu beteiligen

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 36, 139 (142); xVerfG NJW 1991, 689 f.; Ipsen, Staatsrecht I, Rdnr. 75.

6. Staatsgrundlagenbestimmungen / Demokratie: Parteien

== Die X-Partei wird erstmals zur Bundestagswahl zugelassen. Ebenso wie die anderen Parteien bewirbt sie sich um Sendezeiten für Wahlwerbespots im öffentlichrechtlichen Fernsehen. Der Partei bekommt einen Wahlwerbespot von zwei Minuten zugeteilt, während die großen Parteien 16 Wahlwerbespots von je zwei Minuten erhalten. Die Partei weist darauf hin, dass § 5 des Parteiengesetzes eine formale Gleichbehandlung der Parteien bei der Bereitstellung von Einrichtungen durch den Staat verlangt. Wenn überhaupt differenziert werden dürfte, dann müssten die organisatorischen und auf dem geringeren Bekanntheitsgrad beruhenden Startschwierigkeiten der X-Partei durch vermehrte Sendezeit ausgeglichen werden.

Welche Verteilungskriterien sind maßgebend? ==

§ 5 PartG [Gleichbehandlung]

Nach dem Wortlaut des Gesetztes Ist der X-Partei eine Sendezeit zuzurechnen. Allerdings nur in dem Verhältnis die Ihrer Bedeutung nachkommt. Somit kann die Sendeanstalt je nach Bedeutung der Parteien die Sendezeiten vergeben, allerdings nicht einzelne Parteien generell Ausschliessen.

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 14, 121 (134 f.) ? FDP; Ipsen, Stxatsrecht I, Rdnrn. 158 ff.; Degenhart,Staatsrecht I, Rdnrn. 78 ff.

6.1. Alle Entscheidungen über das Parteiprogramm, die Teilnahme an Wahlen und die Öffentlichkeitsarbeit werden in der Y-Partei entsprechend der Satzung vom Parteivorsitzenden allein getroffen. Gibt es hier verfassungsrechtliche Probleme?

Die Satzung dieser Partei ist verfassungswidrig, denn sie widerspricht der in Art 21 I Satz 3 GG festgelegten Norm, der Übereinstimmung der inneren Ordnung der Partei mit den Grundsätzen der Demokratie. Die Satzung dieser Partei erinnert stark an eine bestimmte Arbeiterpartei, die mein Opa gewählt hat ;-)

Lit.Tipp Gröpl: Ipsen, Staatsrecht I, Rdnrn. 147 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 88 ff.

6.2. Darf oder muss der Staat die Parteien finanzieren?

Der Staat muss die Parteien finanzieren, um zu gewährleisten, dass die Parteien unabhängig von Großunternehmern sind, die sie finanzieren und weiterhin, damit kleinere Parteien auch ohne hohe Mitgliedsbeiträge die Möglichkeit haben auf sich aufmerksam zu machen. Diese Form der Zuwendung nennt man auch unmittelbare staatliche Leistung. es darf sich hierbei aber nur um eine Teilfinanzierung handeln, die Eigenfinanzierung muss Vorrang haben

- Warum "muss", ich habe keine Entscheidung des BVerfG finden können, die ausdrücklich bestimmt, dass die Parteien durch den Staat finanziert werden müssen.

6.3. Nach welchen Maßstäben werden die staatlichen Mittel auf die anspruchberechtigten Parteien verteilt?

Massstäbe sind Erfolg der Partei bei den Wahlen, Summen der Mitgliedsbeiträge, sowie der Umfang der Zuwendungen.

Lit.Tipp Gröpl:Badura,Staatsrecht,Teil D,Rdnr. 22.;Degenhart,Staatsrecht I,Rdnrn. 83 ff.;Ipsen,Staatsrecht I,Rdnr. 172; BVerfGE 20,56 (113)? Staatsfinanzierung; BVerfGE 85, 264 (283 ff.) ? Parteienfinanzierung.

7. Staatsgrundlagenbestimmungen / Der Rechtsstaat

7.1. Wo liegen die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Rechtsstaatsprinzips?

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 2, 380 (403); Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rdnrn. 1 ff.

7.2. Welches sind die wesentlichen Elemente des Rechtsstaatsprinzips?

Rechtsstaatsprinzip: Die Staatsgewalt wird dem Recht untergeordnet und damit jede Willkürherrschaft ausgeschlossen. Das R.p. teilt sich in formale und materielle Elemente. Formale: Vorrang des Gesetzes, Vorbehalt des Gesetzes,Gewaltenteilung, prozessuale Dimension, Staatshaftung. Materielle: Garantie der unmittelbaren Geltung der Rechte (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Anerkennung eines staatsfreien Bereiches), Unparteilichkeit des Rechts, Rechtssicherheit, Willkürverbot.

7.3. Was bedeutet die Unterscheidung von "formellem" und "materiellem" Rechtsstaat?

Unter formellem Rechtsstaat versteht man die Prinzipien des Rechtsstaat, wie zB Gewaltenteilung, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, oder die Bindung des Rechts an das Gesetz. Das materielle Rechtsstaatsprinzip ist die Konkretisierung der oben genannten Elemente im GG. Art. 1 III, Art. 20 II

Lit.Tipp Gröpl: Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rdnrn. 9 ff.; Degenhart Staatsrecht I, Rdnrn. 233 ff.

7.4. Hat das Rechtsstaatsprinzip über die Konkretisierungen im Grundgesetz und in an deren Rechtsnormen hinaus noch weitere Auswirkungen?

Das kann man sich durchaus vorstellen, schließlich ist nicht jedes Gesetz gerecht. Das Rechtstaatsprinzip ist ebenso eine Auslegungsrichtlinie, quasi eine Idealvorstellung gerechter Entscheidungsfindung.

Lit.Tipp Gröpl: Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rdnr. 3; BVerfG NJW 2001, 3474 ff.

8. Staatsgrundlagenbestimmungen / Sozialstaat

== Welche Rechtsnatur hat die Sozialstaatsklausel in Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG? Können subjektive Rechte des Einzelnen daraus abgeleitet werden? Ergeben sich Lasten für den Bürger?

Das Sozialstaatsprinzip, das in den gennanten Klauseln Ausdruck findet, ist zugleich Staatsstrukturmerkmal und Staatszielbestimmung. Dies bedeutet gleichzeitig, dass subjektive Rechte Einzelner nicht unmittelbar daraus abgeleitet werden können, da diese in speziellen Gesetzen konkretisiert werden, siehe SGB. Unter "Lasten für den Bürger" könnte man die Steuerbelastung nach Einkommen subsumieren, die für einen sozialen Ausgleich sorgen soll.

Literaturtipp Gröpl: Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 424 ff, Maurer Staatsrecht I, § 8, Rndrn. 59 ff.

8.1. Welchen Inhalt hat das Sozialstaatsprinzip? Enthält das Sozialstaatsprinzip die konkrete Verpflichtung des Staates finazielle Sozialhilfe und Sozialunterkünfte bereitzustellen, die Behandlung im Krankheitsfall auch bei Mittellosigkeit zu garantieren, Arbeitslosenhilfe zu gewähren, die Einkommenssteuer progressiv zu gestalten, eine staatlich finanzierte Universitätsausbildung für alle Interessente zu ermöglichen?

Das Sozialstaatsprinzip umfasst in jedem Fall die Fürsorge für Hilfsbedürftige, den Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit, und die Schaffung eines sozialen Sicherungssystems. Damit wären die ersten drei Punkte in jeder Hinsicht gedeckt.

Eine progressive Einkommenssteuer ist weniger eine Leistung, die der Staat bereitstellt, sondern eher ein Mittel zur Herstellung sozialen Ausgleichs, also nur eine Wahlentscheidung.

Die kostenlose Hochschulausbildung ist ebefalls keine konkrete Verpflichtung des Staates, da dieser lediglich eine Chancengleichheit für die Ausbildung gewährleisten soll.

Literaturtipp Gröpl: Maurer Staatsrecht I, § 8, Rndnr. 72 ff.

8.2. Kann sich aus dem Sozialstaatsprinzip überhaupt eine staatliche Verpflichtung zur Schaffung oder Erweiterung von Kapazitäten ergeben, die noch nicht existieren?

Diese Frage lässt sich bestens mithilfe eines Falles beantworten. Vor dem BVerfG forderte ein junger Mann seine Aufnahme zum Medzinstudium ein, die ihm aufgrund eines örtlichen numerus clausus versagt worden war. Zur Begründung der Universität wurde ein Kapazitätsmangel angeführt. Das BVerG entschied hierzu, dass die Uni ihre Kapazitäten nicht erweitern muss, aber die vorhandenen Ressourcen vollständig ausnutzen muss.

8.3. Besteht ein Spannungsverhältnis zwischem dem Rechtstaatsprinzip und dem Sozialstaatsprinzip?

Das Sozialstaatsprinzip könnte in das Rechtstaatsprinzip eingreifen, sofern sich aus ihm Ansprüche ableiten lassen, die in Rechte Dritter eingreifen.

8.4. Ersetzt das staatliche Einstehen in Notlagen das private Einstehen füreinander, insbesondere unter Verwandten?

Der Mensch ist nicht vollkommen abhängig vom Staat, was sich am Beispiel der Kindergeldzahlung zeigen lässt, bei der die Hauptversorgungspflicht auf den Eltern ruht und nicht auf dem Staat. Somit ist das staatliche Einstehn in Notlagen dem Privaten untergeordnet.

9. Staatsgrundlagenbestimmung / Bundesstaat

9.1. Wie lässt sich der Bundesstaat des GG gegenüber dem Eiheitsstaat, dem Staatenbund und dem Staatenverbund abgrenzen?

== Das GG kennt das Institut des Volksbegehrens nicht. Gleichwohl sehen viele Landesverfassungen die Möglichkeit von Volksbegehren (Vergl. Art. 99 SVerf) Ist dies im rahmen des Bund-Länder-Verhältnis zulässig? Welche Verfssungsnorm setzt den Massstab?

9.2. Welche Grundregel gilt für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern? Wo sind welche Kompetenzen im GG geregelt?

10. Übungsfragen zur Vorbereitung auf die Leistungskontrollklausur

10.1. Frage 1:

Von 1969 bis 1982 herrschte im Deutschen Bundestag eine Koalition aus den Fraktionen von SPD und FDP. Wegen tiefgreifender politischer Meinungsverschiedenheiten kündigte die FDP-Fraktion 1982 die Koalition auf. Daraufhin wurde Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) vom Bundestag abgewählt und Helmut Kohl, der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Oppositionsfraktion, von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zum Bundeskanzler gewählt. a) Was ist eine Fraktion? Benennen Sie die maßgeblichen Vorschriften, die sich mit den Fraktionen im Deutschen Bundestag befassen.

b) Stehen die Begriffe „Fraktionsdisziplin“ und „Fraktionszwang“ im Einklang mit dem Grundgesetz?

c) Was ist eine Koalition? Können Rechte oder Pflichten aus einem „Koalitionsvertrag“ gerichtlich durchgesetzt werden?

Quelle: © Alpmann Brockhaus Fachlexikon Recht, 2004 [CD-ROM].

d) Welche Vorschrift des Grundgesetzes bildet die Rechtsgrundlage für die Abwahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag?

10.2. Frage 2:

Art. 52 Abs. 1 GG bestimmt, dass der Bundesrat seinen Präsidenten auf ein Jahr wählt. In der Rechtspraxis hat sich dazu eine bestimmte Übung entwickelt. Beschreiben Sie diese.

10.3. Frage 3:

a) Was bedeutet „passives Wahlrecht“, was „aktives Wahlrecht“? Wo befindet sich die verfassungsrechtliche Grundlage?

b) Der 19-jährige Bundestagsabgeordnete B will für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren; er räumt sich insoweit gute Chancen ein. Könnten Sie ihm unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zuraten?

10.4. Frage 4:

Ist der Bundeskanzler ein Verfassungsorgan?

10.5. Frage 5

In dem europäischen Staat X hat sich eine nationalistisch ausgerichtete Regierung etabliert. Bundeskanzler P fasst den Plan, einen „politischen Flächenbrand“ in Europa zu vermeiden und erwägt den Einmarsch der Bundeswehr in X zur Absetzung der dortigen Regierung, notfalls auch unter Brechung militärischer Widerstände. Verstößt er mit dieser Idee gegen das Grundgesetz?

10.6. Frage 6:

Der weltweit als Diktator und Tyrann beleumundete ausländische Despot D wird aus seinem Heimatland vertrieben und flüchtet in die Bundesrepublik. Nach Aufdeckung seiner Gräueltaten fordern einflussreiche politische Kräfte in der Bundesrepublik die Bildung eines „Spezialgerichts“, um D seiner mehr als gerechten Strafe zuzuführen. Wären diese Überlegungen verfassungsmäßig?

Nach Art.101 I GG sind Sogenannte Sonder- und Ausnahmegerichte unzulässig, weil niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Somit kann D nur vor einem normalen Strafgericht verurteilt werden.

11. Organe und Kompetenzen / Bundesrat / Stimmabgabe

11.1. Im Jahr 2002 sollte das Zuwanderungsgesetz das Ausländer- und Asylrecht der Bundesrepublik auf eine neue Grundlage stellen. Da sein Ziel unter anderem in der Öffnung der Bundesrepublik Deutschland für Einwanderung aus dem Ausland bestand, war das Gesetz auch in der Öffentlichkeit lebhaft umstritten. Im Bundestag wurde es mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet. Das Gesetz war wegen Art. 84 Abs. 1 Halbsatz 2 GG zustimmungsbedürftig (vgl. Art. 77 Abs. 2a, Art. 78 GG); im Bundesrat kam es auf die vier Stimmen des Landes Brandenburg an, das damals von einer Koalitionsregierung aus SPD und CDU unter dem Ministerpräsidenten Stolpe regiert wurde. Die brandenburgische Landesregierung vermochte im Voraus keine Einigung über die Stimmabgabe zu erzielen. Hätte man sich an den Koalitionsvertrag gehalten, der für solche Fälle eine Stimmenthaltung des Landes vorsah, wäre im Bundesrat die Stimmenmehrheit für die Zustimmung zum Zuwanderungsgesetz nicht erreicht worden. In der entscheidenden 774. Sitzung des Bundesrates vom 22.03.2002 kam es zu einer uneinheitlichen Stimmabgabe des Landes Brandenburg: Zwei Mitglieder der Landesregierung stimmten mit Ja (Ministerpräsident Stolpe und Minister Ziel, beide SPD), zwei mit Nein (Minister Schönbohm und Minister Schelter, beide CDU). Der Präsident des Bundesrates stellte daraufhin unter tumultartigen Protesten im Sitzungssaal fest, dass das Land Brandenburg dem Gesetz zugestimmt habe (siehe dazu die ausführliche Sachverhaltsschilderung in BVerfGE 106, 310 [312 ff.]). Nach einiger Bedenkzeit wurde das Gesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet (Art. 82 Abs. 1 GG). Die Landesregierungen des Saarlandes, von Baden-Württemberg, des Freistaates Bayern, von Hessen, des Freistaates Sachsen und des Freistaates Thüringen beantragten deshalb ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG), da sie der Auffassung waren, dass der Bundesrat dem Zuwanderungsgesetz nicht zugestimmt habe, das Gesetz daher nicht verfassungsmäßig zustande gekommen (Art. 78 GG) und mithin nichtig sei. Ist das Zuwanderungsgesetz verfassungsmäßig zustande gekommen und damit wirksam, d. h. hier: Hat der Bundesrat dem Zuwanderungsgesetz zugestimmt?

Literaturhinweis Gröpl: BVerfGE 106, 310 (330 ff.) – Zuwanderungsgesetz; Lerche, BayVBl. 2002, 577 f.; Schenke, NJW 2002, 1318 ff.; Gröschner, JZ 2002, 621 ff.; Burkiczak, BayVBl. 2002, 578 ff.;

12. Organe und Kompetenzen / Die Gesetzgebung / Gesetzgebungsfunktion – Verteilung zwischen Bund und Länder

12.1. 1. „Wenn nur der Bund befugt ist, in den in Art. 73 GG genannten Bereichen legislativ tätig zu werden, so trifft ihn die Pflicht, dies zu tun − ebenso wie das Gewaltmonopol des Staates direkt mit seiner Pflicht zur Friedenssicherung verknüpft ist.“ Ist diese Aussage zutreffend?

Lit.: Stern, Staatsrecht I2, S. 118. == 2. Der Bund hat seine (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung gemäß Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 Fall 1 GG im Wesentlichen durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz [KrW-/AbfG – Sart. I Nr. 298] wahrgenommen. Im Land H sind einige hochspezialisierte Betriebe ansässig, die (ausschließlich in H) einen Abfallstoff produzieren, welcher durch die Normen im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht erfasst wird. Aufgrund dessen erlässt das Land H ein Gesetz, das den Umgang mit dem Stoff zum Inhalt hat. Im Hinblick auf die Gesetzgebungszuständigkeit führt H an, der Stoff erfordere eine Regelung, die durch den Bund unterblieben ist. Somit sei H gemäß Art. 72 Abs. 1 GG zur Gesetzgebung befugt. Welcher Maßstab ist heranzuziehen, um über die Ausschöpfung der Gesetzgebungszuständigkeit durch den Bund zu entscheiden? ==

Konkurrierende Gesetzgebung meint, dass der Bund einen Vorrang in der Gesetzgebung hat. Somit können die Länder überall dort tätig werden, wo es der Bund nicht geworden ist. Im vorliegenden Fall hat der Bund keine speziellen Regeln zum Abfallstoff gefasst und somit H die Kompetenz hier ein Gesetz zu erlassen. Man muss sich hierbei Fragen, ob die materiellen Regelungen des Bundes abschließend gefasst wurden, oder ob Handlungsspielraum bleibt. Abzustellen ist dabei auf die objektive Beschaffenheit des Bundesgesetzes, bzw. des gesamten Normenkomplexes.

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 7, 342 (347) – Urlaubsgesetzgebung; BVerfGE 20, 238 (248 ff.) – Aufsichtsklage; BVerfGE 34, 9 (27 ff.) – Erstes Besoldungsvereinheitlichungsgesetz; BVerfGE 98, 83 (97 ff.) – Landesabfallabgabengesetz; BVerfGE 98, 106 (120 ff.) – Verpackungsteuer; Badura, Staatsrecht3, Teil F Rdnr. 37; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 144 f.

12.2. 3. Wegen des Verdachts eines Krebsrisikos ergänzt der Bund das Wasserhaushaltsgesetz [Sart. I Nr. 845] um eine Regelung, die es Industriebetrieben untersagt, eine ganz bestimmte, bisher für ungefährlich gehaltene Substanz in Gewässer einzuleiten. Einige Länder, die das Krebsrisiko bezweifeln und sicheren Schaden für die Wirtschaft voraussehen, protestieren und fordern zunächst weitere Untersuchungen der Substanz. Welchen verfassungsrechtlichen Einwand könnten die Länder vorbringen?

Es gilt der Grundsatz, dass nach Art. 75 II Rahmenvorschriften nur in Ausnahmefällen spezielle Regelungen enthalten, die unmittelbar gelten. Hier steht der Ergänzungsmacht der Länder entgegen, dass der Bund das Gesetz bereits so spzialisiert hat, dass die Länder es nicht mehr ausfüllen können. Es müsste also geprüft werden, ob es sich tatsächlich um einen Ausnahmefall iSd Art. 75 II handelt.

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 4, 115 (129 f.) − Besoldungssperre; BVerfGE 43, 291 (343) – Numerus- Clausus-Landesquoten; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 146 ff.

12.3. 4. Auf welche Kompetenznorm stützte sich der Bundestag, als er Berlin zur neuen Bundeshauptstadt bestimmte?

Lit.Tipp Gröpl: Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 133 ff.; BVerfGE 3, 407 (421 f.) – Baurecht; BVerfGE 26, 246 (257) – Berufsbezeichnung.

13. Organe und Kompetenzen / Die Gesetzgebung / Verfahren der Bundesgesetzgebung

13.1. 1. Der Erlass des Tierschutzgesetzes [TierSchG – Sart. I Nr. 873] erforderte nach Art. 84 Abs. 1 GG die Zustimmung des Bundesrates (insb. wegen §§ 15 ff. Tier- SchG). Nunmehr will der Bundestag strengere materielle Vorschriften für Tierversuche erlassen und dabei das Tierschutzgesetz ändern. Bedarf auch dieses Änderungsvorhaben der Zustimmung des Bundesrates?

Lit.: BVerfGE 37, 363 (380 ff.) – Rentenversicherungsänderungsgesetz; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 514 ff.

13.2. 2. Nachdem Bundestag und Bundesrat bei dem Tierschutz-Änderungsgesetz in Fall Nr. 1 Einigkeit erzielt haben, liegt das nach Art. 78 GG zustande gekommene Gesetz dem Bundespräsidenten gemäß Art. 82 Abs. 1 GG zur Ausfertigung vor. Dieser hält die neuen Vorschriften, die Tierversuche in großem Umfang untersagen, für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG. Aufgrund dessen verweigert er die Unterschrift. Ist er hierzu berechtigt?

Lit.Tipp Gröpl: Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 562 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 230 ff.

14. Organe und Kompetenzen / Die Gesetzgebung / Delegation der Rechtsetzungsgewalt;

14.1. 1. Ein Bundesgesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung Bestimmungen „über die steuerliche Behandlung von Erfindervergütungen“ zu erlassen. Weitere Angaben, die den Verordnungsgeber anleiten könnten, existieren nicht. Ist dieses Gesetz mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar? Welche Kriterien benutzt das Bundesverfassungsgericht bei der Bestimmtheitsprüfung?

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 23, 62 (72 f.) − Erfindervergütung; BVerfGE 58, 257 (277) – Versetzung; BVerfGE 80, 1 (20) – Multiple Choice; Badura, Staatsrecht3, Abschn. F Rdnr. 18. == 2. Die Verfassung des Landes L enthält keine Art. 80 GG entsprechende Norm. Das Landesparlament erlässt ein Gesetz, demzufolge die Landesregierung ermächtigt wird, im Verordnungswege die rechtliche Neugestaltung der Abiturprüfung vorzunehmen. Sehen Sie verfassungsrechtliche Bedenken? ==

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 58, 257 (277) – Versetzung; Badura, Staatsrecht3, Abschn. F Rdnr. 19. == 3. Der Bundestag will größeren Einfluss auf die Verordnungsgebung des Bundesverkehrsministers im Bereich der Planung von Bundesfernstraßen nehmen. Daher ändert der Bundestag die gesetzliche Vorschrift, die den Bundesverkehrsminister zum Erlass entsprechender Rechtsverordnungen ermächtigt, indem er bestimmt, dass der Erlass solcher Verordnungen zukünftig der Zustimmung durch den Bundestag bedürfe. Der Minister kritisiert, dass seine Ermächtigung „entweder ganz oder gar nicht“ erfolgen müsse und dass eine derartige Rückbindung an eine andere Gewalt nicht verfassungsgemäß sei. Hat er Recht? ==

Lit.Tipp Gröpl: Stern, Staatsrecht II, S. 664 f.; BVerfGE 8, 274 (321) – Preisbindung.

14.2. 4. Die Universität U ändert ihre Grundsatzung dahingehend, dass die Studenten der Universität zur Sicherstellung eines ernsthaften Studiums fortan am Hochschulort zu wohnen haben. Auf massive Kritik hin verteidigt sich die Universität damit, dass sie Satzungsautonomie genieße, dass Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für sie nicht gelte, und dass niemand gezwungen sei, Mitglied der Universität zu werden. Ist die Satzungsänderung verfassungsmäßig?

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 33, 125 (156 ff.) – Facharzt; Stern, Staatsrecht II, S. 588 f.

15. Organe und Kompetenzen / Die Exekutive

15.1. 1. Das Ergebnis einer Bundestagswahl zeigt, dass nur zwei Fraktionen regierungsfähig sind, die allerdings in zahlreichen Fragen grundlegend unterschiedliche Ansichten vertreten. Deshalb schließen sie vor Eingehung der Koalition eine detaillierte Koalitionsvereinbarung. Schon bald darauf setzt sich ein Minister einer der Koalitionsfraktionen in einer Sachfrage über die Koalitionsvereinbarung hinweg. Die andere Fraktion empört sich über das „rechtsbrecherische Verhalten“. Sind Koalitionsvereinbarungen zwischen Regierungsfraktionen im Bundestag auch dann verfassungsmäßig, wenn die Fraktionen grundsätzlich unterschiedliche Ansichten vertreten? Sind Koalitionsvereinbarungen rechtlich verbindlich? Was sind die Folgen eines Verstoßes gegen eine Koalitionsvereinbarung?

Lit.: Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 528; Badura, Staatsrecht3, Abschn. E Rdnr. 95. == 2. Nachdem ein Minister als Abgeordneter des Bundestages in einer parlamentarischen Aussprache vehement die Linie der Regierung durchzusetzen versucht hatte, erwiderte der Oppositionsführer, der Minister habe sich im Bundestag als Vertreter des ganzen Volkes, als Abgeordneter gem. Art. 38 GG, zu verhalten; sein Auftreten zeige einmal mehr, dass „die systemwidrige Ausnahme vom Grundsatz der personellen Inkompatibilität zwischen den Gewalten bei Regierungs- und Parlamentsmitgliedschaft verfassungspolitisch nicht tragbar“ sei. – Der Minister gibt zu bedenken, dass „die eigentlichen Frontlinien der Politik“ nicht zwischen dem Parlament auf der einen und der Regierung auf der anderen Seite, sondern in ganz anderer Weise verliefen. Wo verlaufen sie? ==

Lit.: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts20, Rdnrn. 492 ff.; Badura, Staatsrecht3, Abschn. E Rdnrn. 16 ff. == 3. Der Bundespräsident gedenkt, in naher Zukunft eine Rede zu halten, in der er zu einer bestimmten Thematik der gegenwärtigen Politik gegenüber kritisch Stellung bezieht. Der Bundeskanzler bittet um Vorlage des Redemanuskripts zur Abstimmung und eventuellen Änderung einiger Passagen unter Berufung auf seine Gegenzeichnungsbefugnis gemäß Art. 58 Satz 1 GG. Der Bundespräsident verweigert die Vorlage. Handelt der Bundespräsident verfassungswidrig? == Lit.: Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 556 ff.; Maurer, Staatsrecht I, § 15 Rdnrn. 24 ff. == 4. Der Querelen um das öffentlich-rechtliche Fernsehen leid beschließt die Bundesregierung, im Alleingang eine neue Rundfunkanstalt zu schaffen, die auf hohem Niveau Kultur und Geschichte vermitteln soll. Da insoweit eine Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen im Grundgesetz nicht existiert, glaubt der zuständige Bundesmi- nister, losgelöst von den Bestimmungen der Art. 70 ff. und 83 ff. GG handeln zu dürfen. Zu Recht? == Lit.: Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 164 ff.; BVerfGE 12, 205 (246 f.) – 1. Fernsehurteil. == 5. In gleichem Atemzug verfügt der zuständige Minister den Druck einer Million Broschüren, die vor den Gefahren für die gesunde psychische Entwicklung von Kindern warnen, die von den Abendprogrammen der privaten Fernsehsender ausgingen. Darf der Minister die Warnung aussprechen? Im Wortlaut der Kompetenzzuweisungen des Grundgesetzes findet sich hierzu keine ausdrückliche Regelung. == Lit.: Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 173, 322 ff.; BVerwGE 82, 75 ff. – Transzendentale Meditation; BVerfGE 105, 279 ff. – Osho; krit. Schoch, DVBl. 1991, 667 ff. == 6. Der zuständige Minister des Landes N will die Genehmigung zum Bau eines Endlagers für Kernbrennstoffe erteilen, da nach seiner Auffassung die erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage nach den Vorschriften des Atomgesetzes getroffen sei. Der zuständige Bundesminister erteilt daraufhin nach Art. 85 Abs. 3, Art. 87c GG die Weisung, die Anlage nicht zu genehmigen. Der Landesminister ist fest von dem Verstoß dieser Weisung gegen das Atomgesetz überzeugt und bringt vor, dass in einem Rechtsstaat niemand von ihm verlangen könne, eine rechtswidrige Weisung zu befolgen. Hat der Landesminister Recht? == Lit.: BVerfGE 81, 310 (332 ff.) – Schneller Brüter Kalkar II; BVerfGE 84, 25 (31) – Endlager Konrad; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnrn. 167, 174 f.

15.2. 7. Ein Beamter des Bundes, der nach einem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums kein Streikrecht besitzt, wird ohne einfachgesetzliche Rechtsgrundlage auf einem bestreikten Arbeitsplatz eines Angestellten eingesetzt. Auf die [[Remonstration]] des Beamten hin, dadurch werde er gezwungen, sich unsolidarisch zu verhalten und auf unzulässige Weise Streikgegenwehr zu betreiben, erwidert die übergeordnete Stelle, dies sei nicht der Zweck der Maßnahme; vielmehr werde man in der gegebenen Situation als Verwaltung hoheitlich tätig, um die durch den Streik ausgelöste Störung in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben soweit wie möglich zu mildern. Hierbei Unterstützung zu leisten, sei die Pflicht des Beamten. Wer hat Recht?

Lit.Tipp Gröpl: BVerfGE 88, 103 (113 ff.) – Beamteneinsatz; vorher noch anders BVerwG DVBl. 1984, 952 ff. – Beamteneinsatz.

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