JGG: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/jgg/

1. Einführung

Um den Besonderheiten der Jugendkriminalität gerecht zu werden hat der Gesetzgeber das Jugendstrafrecht speziell geregelt. Jugendkriminalität ist als Phänomen ubiquitär und auch grundsätzlich normal, d.h. Jugendliche zeigen eine deutlich erhöhte Delinquenzbelastung gegenüber Erwachsenen. Dies wird auf den in dieser Entwicklungsphase normalen Drang die Grenzen auszuprobieren zurückgeführt.
Auch muss bei Jugendlichen aufgrund ihrer Entwicklung von einer geringeren perönlichen Vorwerfbarkeit ausgegangen werden. Andererseits kann auf sie noch im Wege der Erziehung eingewirkt werden, um sie von der Begehung weiterer Straftaten, insbesondere vom Beginn einer kriminellen Karriere abzuhalten. Im JugendGerichtsGesetz von 1953, dass aus dem RJGG von 1923 bzw. von 1943 hervorging, sind daher Saktionierung und Verfahren für jugendliche und heranwachsende Straftäter besonders geregelt.

2. Anwendungsbereich

Das Jugendgerichtsgesetz gilt grundsätzlich für Jugendliche (14-18 Jahre, § 1 II, 3 JGG, siehe aber auch unten 4.a ) und Heranwachsende (18-21 Jahre, § 1, 105 JGG). Maßgeblicher Zeitpunkt ist das Alter bei Tatbegehung. Für Heranwachsende findet das JGG jedoch nur eingeschränkt Anwendung. Sie werden aber gemäß § 105 JGG auch in den Folgen der Straftat einem Jugendlichen weitgehend gleichgestellt, wenn sie in ihrer geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstehen oder wenn die Tat nach Umständen oder Beweggründen eine jugendtypische Straftat war. Prozessual findet hingegen das JGG auf Heranwachsende stets Anwendung, so dass unabhängig von der Frage, ob der Heranwachsende gemäß § 105 nach Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden wird, jedenfalls vor den speziellen Jugendgerichten verhandelt werden muss (siehe auch Jugendstrafverfahrensrecht).

3. Systematik

Im Jugendstrafverfahren steht das Ziel im Vordergrund, den Jugendlichen/Heranwachsenden zu einem straffreien Lebenswandel zu erziehen. Um dies zu verwirklichen, wurde das JGG materiell und prozessual in erster Linie am Erziehungsgedanken ausgerichtet. Dabei bestimmt sich materiellrechtlich auch für den Jugendlichen/Heranwachsenden die Strafbarkeit zunächst nach den Straftaatbeständen des StGB (§§ 2,4 JGG). Allerdings werden durch das JGG die Strafrahmen des StGB aufgehoben (§§ 2,5 JGG). Das JGG bietet stattdessen eine abgestufte Palette von Reaktionsmaßnahmen:
Neben erweiterten Einstellungsmöglichkeiten nach § 45, 47 JGG ( sog. Diversion) gibt es als zweite Stufe die Erziehungsmassregeln (§ 10 ff. JGG), als dritte Stufe Zuchtmittel (§ 13 ff. JGG) und schließlich die Jugendstrafe (§ 17 ff JGG), die einzige Maßnahme, die eine mit dem Erwachsenenstrafrecht vergleichbare echte Strafe darstellt.
Bei der Auswahl der Reaktion auf die Straftat steht dabei, im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht, nicht so sehr die in der Tat zum Ausdruck gekommen Schuld des Täters im Mittelpunkt, sondern die möglichst positive Einwirkung auf die Entwicklung des Jugendlichen/Heranwachsenden. Bei Erziehungsmassregeln wird dieser Gedanke am deutlichsten. Sie sollen keinerlei Ahndungscharakter haben, sondern nur erzieherisch auf den Jugendlichen einwirken. Häufigste Erziehungsmassregel ist die Weisung Arbeitsleistungen zu erbringen (§ 10 I Nr. 4 JGG).
Zuchtmittel hingegen sollen dann zur Anwendung kommen, wenn Erziehungsmassregeln nicht mehr ausreichen. Sie sollen durchaus auch repressiv und präventiv bewirken. Am deutlichsten wird dies beim Jugendarrest, der gedacht ist als Ordnungsruf mit abschreckender Schockwirkung (Nagler, LK 1944, 466). Daneben gibt es jedoch auch die Weisungen im Rahmen der Zuchtmittel, die zum Teil mit den Auflagen der Erziehungsmassregeln deckungsgleich sind.
Schließlich kann Jugendstrafe verhängt werden. Sie ist echte Kriminalstrafe und damit klar repressiv. Allerdings sollen auch hier erzieherische Belange berücksichtigt werden und auch im Vollzug erzieherisch auf den Täter eingewirkt werden. Sie wird als einzige auch im Zentralregister und im Führungszeugnis aufgenommen. Jugendstrafe wird bei schädlichen Neigungen (Anlage- und Erziehungsmängel, die die Gefahr begründen, dass der J. ohne längere Gesamterziehung nicht unerhebliche Straftaten begehen wird) oder Schwere der Schuld verhängt.
Die Schuld und die Schwere der Tat spielen also auch bei der Wahl der Reaktion und bei ihrer Bemessung eine gewisse Rolle (jedenfalls dann, wenn sie eine negative Prognose zuläßt bzw. wenn zu erwarten ist, dass die zu milde Reaktion vom Jugendlichen nicht als ernstzunehmende Reaktion auf die begangene Tat aufgefaßt würde und insofern keinen Eindruck hinterlassen würde). Vorallem im Rahmen Jugendstrafe sind Schuldfragen zu erörten, wobei nicht verkannt werden darf, dass man dem Jugendlichen durch die Institution Jugendstrafrecht offensichtlich eine geringere persönliche Vorwerfbarkeit strafbarer Handlungen unterstellt.
Grundlage der Sanktionenwahl muss deshalb immer eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit des Täters sein, da es auf eine möglichst genaue Kenntnis der Lebensumstände des Jugendlichen/Heranwachsenden ankommt, um beurteilen zu können welche Maßnahmen auf den Täter am positivsten einwirken. Dies soll im Strafverfahren die Jugendgerichtshilfe umfassend ermitteln. Im Jugendrechtsprozess wird dann ein von der JGH erstellter Bericht vorgetragen, den die JGH auch mit einem Sanktionenvorschlag versieht, der allerdings nicht bindend ist. Der Jugendrichter muss dann aufgrund der in der Hauptverhandlung gewonnen Erkenntnisse über den Jugendlichen eine Prognose anstellen und aus dem Maßnahmenkatalog des JGG die passende Sanktion auswählen.

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JugendStrafRecht/Grundlagen (zuletzt geändert am 2017-03-22 13:01:43 durch anonym)