Habt Ihr bei einem Fall die Rechtfertigung in der Rechtfertigungsebene verneint, kann eine Strafausschließung noch in der Schuld möglich sein.

Der Fall muss dann so entwickelt sein, dass für alle am Geschehen Beteiligten klar ist, dass der Täter "übertrieben" reagiert hat - dass beispielsweise objektiv keine Notwehrlage vorgelegen hat. Der Täter nahm dies "irriger" Weise jedoch an.

Einstieg in die Prüfung:

Rechtfertigung wurde verneint, weil objektiv in dem zugrundeliegenden Fall keine Notwehrlage (§ 32 StGB)(Gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff) vorlag.

Der Täter ist aber davon ausgegangen, dass eine Notwehrlage vorlag.(subjektiv)

Prüfungspunkt "Schuld"

Möglicherweise entfällt die Schuld aufgrund des "Erlaubnistatbestandsirrtums" (Def.)Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn eine Person sich über die Umstände aus denen sich ein Rechtfertigungsgrund ergeben würde irrt. objektive Umstände beziehen sich auf die Notwehrlage.Jeder außer dem Täter selbst weiss, dass keine Notwehrlage vorliegt. Subjektive Ansichten bleiben wurden bei dem Punkt Rechtswidrigkeit außen vor gelassen und müssen daher, wenn möglich über den Punkt Schuld abgehandelt werden. Denn der Täter hat sich subjektiv (also nur er allein) über die gegebenen Umstände geirrt.

Frage: Ist daher eine Behandlung nach § 16 StGB möglich? § 16 StGB setzt einen Tatbestandirrtum voraus. Der Täter irrt sich aber nicht über die Umstände der Tat, weil er sie objektiv gar nicht erkennt. Daher ist § 16 StGB nicht direkt anwendbar.

Ist Behandlung nach § 17 StGB möglich? § 17 StGB wäre nur dann anwendbar, wenn der Täter sich über das Verbotensein seiner Tat irrt. Das tut er aber gerade nicht, weil er ja subjektiv denkt eine Notwehrlage läge vor. Objektiv müsste sich aber ein Unrechtsbewußtsein einstellen. § 17 StGB ist isoliert betrachtet also auch nicht anwendbar.

Was nun?

Es ist jedoch nicht unerheblich ob § 16 oder § 17 angewendet werden. Bei Anwendung des § 16 wird der Vorsatz (auf Ebene des subjektiven Tatbestands) immer ausgeschlossen. Eine Bestrafung nach Fahrlässigkeit bleibt unberührt. Bei einer Bestrafung nach Fahrlässigkeit entsteht jedoch eine ungewollte Strafbarkeitslücke bezüglich Teilnahme an einer Tat (§§ 26, 27 StGB). Die Bestrafung von Teilnehmer, die eine vorsätzlich begangene Tat des Haupttäters jedoch tatbestandmäßig voraussetzt, würde damit entfallen.(Was strafrechtlich nicht gewollt ist..) Die Anwendung des § 17 StGB setzt jedoch die Vermeidbarkeit des Irrtums zwingend voraus. In der Regel ist der Irrtum jedoch vermeidbar. Deshalb ist § 17 StGB nicht anwendbar.

Da § 16 StGB jedoch näher an dem vorliegenden Irrtum liegt, sich jedoch bei strikter Anwendung eine Strafbarkeitslücke ergeben würde (s.o.) bedarf es der Konstruktion der "Vorsatzschuld". Dadurch ergibt sich, dass der Täter zwar (subjektiv) vorsätzlich gehandelt hat, dass der Vorsatz jedoch auf der Ebene der Schuld entfällt.

Ergebnis: Der Täter hat sich nicht wegen einer vorsätzlichen Tat strafbar gemacht. Die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit bleibt jedoch unberührt.

Konkretes Beispiel: § 223 Vorsätzliche Körperverletzung (-) aber § 229 Fahrlässige Körperverletzung bleibt zu prüfen.

Die Prüfung auf Fahrlässigkeit ist aber nur dann zu prüfen, wenn dies (wie höchst wahrscheinlich nicht der Fall sein wird) explizit gefragt ist.


siehe auch StrafRechtAllgemeinerTeil


KategorieStrafRecht

VorsatzSchuld (zuletzt geändert am 2008-01-20 19:56:41 durch anonym)