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Fragen zur Vorlesung vom 2011 12 20

  1. Was ist unter einem Rechtsbehelf, was unter einem Rechtsmittel zu verstehen?
    1. Als Rechtsbehelf wird jede Möglichkeit zur Anfechtung einer Entscheidung bezeichnet.
    2. Der Begriff des Rechtsmittels ist enger. Rechtsmittel haben:
      1. Suspensiveffekt: Der Eintritt der formellen Rechtskraft wird gehemmt (suspendere = schweben lassen)
      2. Devolutiveffekt: Der Rechtsstreit gelangt in die nächsthöhere Instanz (devolvere = abwälzen)
  2. Welche Rechtmittel kennt die ZPO?
    1. Die ZPO kennt die Rechtsmittel der
      1. Revision und
      2. der Berufung sowie
      3. der Beschwerde
  3. Wodurch unterscheiden sich Berufung und Revision aus traditioneller Sicht?
    1. Die Revision beschränkt sich darauf Rechtsfragen zu klären, neuer Tatsachenstoff ist grundsätzlich nicht Gegenstand der Verhandlung. Wohingegen die Berufung traditionell als zweite vollständige Tatsacheninstanz konzipiert war .
  4. Ist die Berufungsinstanz im Zivilprozess auch heute noch als vollwertige zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet?
    1. Durch die Reform von 2002 wurde das Berufungsgericht grundlegend neu gestaltet. Damit ist die Berufung nunmehr im Wesentlichen auf eine Fehlerkontrolle beschränkt. Neue Tatsachen werden nur unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt.
  5. Unter welchen Voraussetzungen ist die Berufung zulässig?
    1. Die Berufung ist zulässig, wenn:
      1. sie statthaft ist (§§ 522 Abs. 1 S. 1, 511 ZPO)
      2. sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 522 Abs. 1 S. 1, 517-519) und
      3. begründet wurde (§§ 522 Abs. 1 S. 1, 520 ZPO)
      4. der Berufungskläger durch das angefochtene Urteil beschwert ist und
      5. das Ausgangsgericht die Berufung zugelassen hat oder die Beschwer 600€ übersteigt (§ 511 Abs. 2 ZPO)
      6. die Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen
  6. Was muss die Berufungsbegründung enthalten?
    1. Die Berufungsbegründung muss einen Berufungsantrag enthalten (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO). Der Berufungskläger legt fest in welchem Umfang er eine Änderung erreichen möchte (Dispositionsgrundsatz). Er muss einer oder mehrere der Berufungsgründe des § 513 ZPO anführen. Berufung kann nicht auf Unzuständigkeit des Gerichts erster Instanz gegründet werden (§513 Abs. 2 ZPO).
  7. Was prüft das Berufungsgericht auf der Ebene der Begründetheit?
    1. Das Berufungsgericht prüft in den Grenzen der Berufungsanträge (§ 528 ZPO) nach § 513 Abs. 1 ZPO, ob
      1. das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder
      2. Tatsachen, die nach § 529 ZPO zu berücksichtigen sind, eine andere Entscheidung rechtfertigen
    2. Das Urteil beruht bei Verletzung materiellen Rechts auf der Rechtsverletzung, wen bei richtiger Rechtsanwendung anders entschieden worden wäre. Verfahrensfehler sind schon dann ursächlich, wenn die Entscheidung möglicherweise anders ausgefallen wäre. Der Begriff der Rechtsverletzung folgt zunächst der Begriffsbestimmung des § 546 ZPO. Als verletzte Normen kommen alle sachlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht. Für das Berufungsverfahren gilt die Beschränkung des § 545 ZPO nicht. Die Überprüfung erfasst alle bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, europarechtlichen Verordnungen und Richtlinien, ausländisches Recht, Gewohnheitsrecht und Satzungen, unabhängig vom jeweiligen Geltungsbereich.
  8. Wann berücksichtigt das Berufungsgericht bei der Prüfung der Begründetheit neue Tatsachen?
    1. Das Berufungsgericht ist an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts erster Instanz gebunden. Neue unstreitige Tatsachen werden allerdings berücksichtigt. Ansonsten stellt das Berufungsgericht Tatsachen nur neu fest, wenn
      1. Konkrete Anhaltspunkte Zweifel daran begründen, dass die Tatsachen in erster Instanz richtig und vollständig festgestellt wurden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte müssen bei objektiver Bewertung geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit hervorzurufen Zum Beispiel:
        1. Rechtsfehlerhafte Verfahrensweise des Gerichts erster Instanz bei Feststellung des Tatsachenstoffs, z.B. durch falsche Beweislastverteilung oder Beweiswürdigung
        2. weitere Erkenntnisse des Berufungsgerichts
        3. neue Angriffs- und Verteidigungsmittel i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO
        Fraglich ist wie stark die Zweifel an der Korrektheit des erstinstanzlichen Urteils sein müssen. Einerseits das Interesse an einem möglichst schnellen und effizienten Verfahren, andererseits das Interesse an der Wahrheitsfindung, insbesondere aus sich der Unterlegenen Partei. Nach BGH ist eine erneute Tatsachenfeststellung geboten, wenn zumindest die nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass das Gericht zu einem anderen Beweisergebnis gelangt.
      2. neue Tatsachen ausnahmsweise zulässig sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO)
  9. Nach § 522 Abs. 2 konnte das Berufungsgericht die Berufung durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurückweisen, wenn es davon überzeugt war, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hatte und weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hatte noch eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich war; der Beschluss war unanfechtbar. Gilt das auch heute noch?
    1. Das Berufungsgericht weist (kein Ermessen str.) eine zulässige Berufung, selbst wenn sie vom erstinstanzlichen Gericht zugelassen wurde, durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurück (§ 522 Abs. 2 ZPO), wenn es davon überzeugt ist, dass
      1. die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und

      2. weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
    2. Der Beschluss ist nach § 522 Abs. 3 unanfechtbar. Vorher muss das Berufungsgericht auf die beabsichtigte Entscheidung hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO, so hat der Kläger die Möglichkeit die Berufung neu zu Begründen oder zurückzunehmen.
  10. Wo in der ZPO finden Sie Vorschriften zum amtsgerichtlichen Verfahren? Wodurch unterscheidet sich dieses vom landgerichtlichen Verfahren?
    1. Innerhalb der allgemeinen Verfahrensvorschriften (§§ 1 bis 252 ZPO) sowie der Vorschriften für Landgerichte (§§ 253 bis 494a ZPO) sowie in den §§ 495a – 510b ZPO
    2. Unterschiede zum landgerichtlichen Verfahren:
      1. Keine Anwendung der §§ 348 – 350 ZPO, da nach § 22 Abs. 4 GVG der Richter am Amtsgericht als Einzelrichter entscheidet.
      2. Anwaltszwang nur in Ehesachen und Folgesachen gem. § 114 Abs. 1 FamFG. Ansonsten Befugnis Prozess selbst oder durch Bevollmächtigten zu führen (§ 79 ZPO). Dadurch: keine zwingende Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch Schriftsätze und verkürzte Ladungsfrist (§ 217), Klage, Klageerwiderung und sonstige Anträge oder Erklärungen der Parteien können mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden.
      3. Vereinfachte Abfassung des Urteils nach § 313a Abs. 1 ZPO, wenn Streitwert unter 600 €, da dann die Berufungssumme nicht erreicht ist und Berufung nicht zugelassen
      4. Gem. § 495 a S. 1 ZPO: Verfahren nach billigem Ermessen des Gerichts: praktische Bedeutung hat dies für die Modifikation des Beweisverfahrens (Freibeweis statt Strengbeweis)
      5. Besondere Belehrungen des Amtsgerichts gegenüber dem beklagten nach §§ 499, 504 ZPO (Folgen des Anerkenntnisses oder rügeloser Verhandlung zur Hauptsache)
  11. Wie läuft ein Mahnverfahren ab?
    • a. Ein Mahnverfahren beginnt mit der Stellung des Mahnantrags nach § 690 I ZPO beim nach § 689 ZPO zuständigen Amtsgericht.
    • b. In einem zweiten Schritt prüft der Rechtspfleger, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Mahnbescheides (§ 692 ZPO) gegeben sind. Ist das der Fall wird der Mahnbescheid erlassen, wenn nicht wird der Mahnantrag nach § 691 ZPO zurückgewiesen.
    • c. Gegen der Erlass des Mahnbescheid kann der Antragsgegner binnen zwei Wochen Widerspruch einlegen. Tut er dies, muss er nach § 696 I ZPO auch einen Antrag auf ein streitiges Verfahren stellen. Stellt er zusätzlich zum Widerspruch gegen den Mahnbescheid keinen Antrag auf ein streitiges Verfahren, so tritt ein Stillstand des Verfahrens ein.
    • d. Hat der Antragsgegner gegen den Erlass den Mahnbescheides keinen Widerspruch eingelegt, so wird auf Antrag desjenigen, der den Mahnbescheid beantragt hat, ein Vollstreckungsbescheid erlassen. (§ 699 I ZPO) Stellt der Antragssteller des Mahnbescheides keinen Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides, so wird nach 6 Montaen der Mahnbescheid wirkungslos (§ 701 ZPO).
    • e. Gegen den Vollsrteckungsbescheid kann der Antragsgegner nach § 700 ZPO Einspruch einlegen, wodurch es zu einem streitigen Verfahren kommt. Legt er nicht innerhalb einer von der Geschäftsstelle angesetzten Frist (§ 700 V ZPO) Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein, wird dieser rechtskräftig. Er ist gemäß § 794 I Nr. 4 ZPO Vollstreckungstitel.
  12. Welche Besonderheit kennzeichnet den Urkundenprozess?
    1. Der Urkundenprozess (§§ 592 – 600 ZPO) bietet dem Kläger – genau wie das Mahnverfahren eine Möglichkeit durch beschleunigtes Verfahren einen Vollstreckungstitel zu erhalten. Beschleunigung wird durch eine Beschränkung der zulässigen Beweismittel erreicht. Gem. § 595 Abs. 1 ZPO ist die Widerklage des Beklagten ausgeschlossen.
  13. Wo ist das Verfahren in Familiensachen heute geregelt?
    1. In §§ 111 – 270 FamFG
    2. Aufgrund der Ausgliederung der Vorschriften über das familienrechtliche Verfahren in das neue FamFG sind die allgemeinen Vorschriften der ZPO grundsätzlich nicht mehr anwendbar. Jedoch enthält § 113 Abs. 1 FamFG für die sog. Familienstreitsachen der §§ 112 ff. FamFG, die in etwa den vorher in der ZPO geregelten Familiensachen entsprechen, und für die Ehesachen einen weitgehenden Verweis auf die Bestimmungen des AT der ZPO und auf ihre Regeln über das Verfahren vor den Landgerichten.

VorlesungSb/ZPO2011/FragenVorlesung20111220 (zuletzt geändert am 2012-01-30 09:23:12 durch anonym)