VorlesungSb/ZPO2011/FragenVorlesung20111128 hier beschreiben...

Fragen zur Vorlesung vom 2011 11 28

  1. Was ist unter dem Beibringungsgrundsatz zu verstehen?
    • Der Beibringungsgrundsatz, auch Verhandlungsmaxime genannt, besagt, dass es Sache der Parteien ist, die Tatsachen vorzutragen, die die Grundlage der Entscheidung bilden. Nur diese Tatsachen dürfen berücksichtigt werden. Die Parteien bestimmen, welche Tatsachen strittig sind, §§ 138 Abs. 3, 288 und über welche Beweis erhoben werden soll, § 359 Nr. 1.
  2. Wodurch unterscheidet sich der Beibringungsgrundsatz von der Dispositionsmaxime?
    • Beibringungsgrundsatz: Herrschaft über den Prozessstoff, Dispositionsmaxime: Herrschaft über das Verfahren und den Streitgegenstand.
  3. Wer (Kläger, Beklagter oder beide?) muss die Tatsachen darlegen, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legt?
    • Jede Partei muss grundsätzlich die für sie günstigen Tatsachen darlegen und als wahr beweisen.Die nicht beweisbelastete Partei braucht nur Zweifel an der Wahrheit der Tatsache der beweisbelasteten Partei zu begründen.
  4. Verdeutlichen Sie Ihre Antwort, indem Sie die Verschuldenshaftung des § 823 Abs. 1 BGB, die Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG, die Haftung für vermutetes Verschulden nach § 831 Abs. 1 BGB und den Fall der vertraglichen Haftung aus § 280 Abs 1 BGB gegenüberstellen.
    • Grundsätzlich ist das Verschulden nach § 823 I BGB günstig für den Kläger. Daher muss er darlegen, dass der Beklagte schuldhaft gehandelt hat. Für den Beklagten reicht es aus Zweifel daran zu streuen, das er schuldhaft gehandelt hat. Im Gegensatz dazu greift bei § 280 I BGB die Beweislastumkehr des Satzes 2. Hier muss also nicht der Kläger das Verschulden des Beklagten beweisen, sondern der Beklagte muss beweisen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. Für den Kläger reicht es aus, wenn er an der Entlastung des Beklagten Zweifel begründen kann. Bei § 7 I StVG muss der Kläger nur darlegen, dass beim Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten für ihn ein Schaden entstanden ist, weil das, die für ihn günstigen Voraussetzungen des § 7 I StVG sind. Der Beklagte kann sich nur verteidigen, wenn er beweist, dass höhere Gewalt den Unfall verursacht hat oder dadurch, dass er Zweifel schürt, dass durch sein KFZ die Schäden entstanden sind. Bei § 831 I BGB muss der Kläger alle Voraussetzungen außer dem Organisationsverschulden, welches vermutet wird, beweisen. Der Beklagte kann sich aber durch den Nachweis der guten Überwachung und Auswahl seiner Mitarbeiter entlasten.
  5. Warum sprechen wir insoweit von einer Darlegungslast (statt von einer Darlegungspflicht)?
    • Keine der Parteien trifft die Pflicht, Tatsachen vor dem Gericht vorzutragen. Allerdings finden Tatsachen, die dem Gericht nicht vorgetragen werden, wegen des Verhandlungsgrundsatzes auch keine Berücksichtigung.
  6. Was, wenn der Kläger seiner Darlegungslast nicht genügt?
    • Der Kläger wird nach § 139 Abs. 1 Satz 2 vom Gericht darauf hingewiesen, seiner Darlegungslast zu genügen.
  7. Was, wenn der Kläger trotz des zutreffenden gerichtlichen Hinweises, er habe seiner Darlegungslast nicht genügt, nicht ergänzend vorträgt?
    • Da der Kläger die Tatsachen darlegen muss, die den Anspruch begründen, wird eine Klage als unbegründet abgewiesen, wenn dieser seiner Darlegungslast nicht genügt.
  8. Darf der Kläger Tatsachen „ins Blaue hinein“ behaupten?
    • Sobald eine vermutete Tatsache im Prozess ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich behauptet wird, ist sie unzulässig.
  9. Darf der Kläger sich hilfsweise das mit seinem Vorbringen unvereinbare Vorbringen des Beklagten zu Eigen machen?
    • "Eine Partei kann sich hilfsweise das Vorbringen der anderen auch dann zu eigen machen, wenn es mit dem eigenen Vortrag nicht vereinbar ist." (Baumfalk, ZPO, 2010, § 3 Rn. 56).
  10. Darf das Gericht ein dem Kläger günstiges Beweisergebnis, etwa eine Zeugenaussage, berücksichtigen, wenn der Kläger (in Verkennung der Rechtslage - das gibt es!) deren Wahrheit bestreitet?
    • Das Gericht darf auch ein dem Kläger günstiges Beweisergebnis trotz Bestreitens berücksichtigen, da im Zivilprozess der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 I ZPO gilt. Das Gericht muss entscheiden, ob die Behauptung als wahr oder unwahr anzusehen ist. Natürlich kann das Bestreiten des Klägers negative Auswirkungen auf die Überzeugung des Richters haben.
  11. Muss der Kläger schon in der Klageschrift die Beweismittel, etwa Zeugen, angeben, durch deren Vernehmung er die Wahrheit seines Vortrags beweisen will?
    • Die Bezeichnung von Beweismitteln( §§ 253 Abs.4, 130 Nr.5) gehören zum sog. Soll-Inhalt (§§ 253 Abs.3,4) der Klageschrift. Der Soll-Inhalt ist nicht zwingend, insbesondere führt ein Verstoß nicht zur Prozessabweisung (Ausnahme: §§ 253 Abs.4, 130 Nr.6)
  12. Sind Rechtsausführungen in der Klageschrift sinnvoll?
    • Rechtsauführungen sind oft in der Klageschrift zu finden, was aber selten sinnvoll ist, da die Arbeitsmethode des Zivilrichters zunächst die Abstrahierung von jeglichen Rechtsansichten der Parteien verlangt. Es gilt das Prinzip "das Gericht kennt das Recht" (lat."iura novit curia").Das Mitteilen rechtlicher Ausführungen ist jedoch ratsam, da durchaus die Möglichkeit besteht, dass sich das Gericht hiervon leiten lässt.
  13. Was ist unter Anhängigkeit zu verstehen?
    • Durch Einreichung der Klage bei Gericht wird diese anhängig.
  14. Was ist die Aufgabe des gerichtlichen (und des kammerinternen) Plans für die Verteilung der richterlichen Geschäfte?
    • Die Aufgabe des Geschäftsverteilungsplanes (§§ 21e, 21g GVG) ist die abstrakte und bereits vor Einreichung der Klage feststehende Bestimmung, welcher Richter für den konkreten Fall zuständig ist. Dadurch soll das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 I 2 GG gewahrt werden und Versuche unterbunden werden die Streitsache vor einen dem Kläger wohlgesonnenen Richter zu bringen und den Ausgang des Streites zu beeinflussen.
  15. Was ist eine richterliche Verfügung?
    • "Durch Verfügungen wird über prozessleitende Maßnahmen von geringer Bedeutung entschieden (z.B. die Verfahrenswahl nach § 272 Abs. 2 oder vorbereitende Maßnahmen nach § 273). Die Verfügungen der Richter werden von der Geschäftsstelle bearbeitet." (Pohlmann, ZPO, 2010, Rn. 403)
  16. Welche Verfügungen trifft der Vorsitzende oder Einzelrichter nach Eingang der Klageschrift?
    • Der Vorsitzende oder Einzelrichter bestimmt nach Eingang der Klageschrift, dass diese dem Beklagten zugestellt wird. Zudem entscheidet er über die Verfahrensweise nach § 272 ZPO. Es gibt dabei die Möglichkeit eines schriftlichen Vorverfahrens sowie eines frühen ersten Termins. Zudem kann das Gericht die Maßnahmen nach § 273 II ZPO zur Vorbereitung jedes Termins anordnen.
  17. Wodurch unterscheiden sich schriftliches Vorverfahren und früher erster Termin?
    • Es gibt 2 Möglichkeiten, den Haupttermin vorzubereiten (vgl. § 272):
    • durch einen frühen ersten Termin gem. §§ 272 Abs. 2, 275, der eingreift, wenn die Notwendigkeit zum direkten Gespräch besteht,
    • durch ein schriftliches Vorverfahren gem. §§ 272 Abs. 2, 276 (das ist etwas Anderes ein schriftliches Verfahren, vgl. § 128 Abs. 2), bei dem es um Austausch der Schriftsätze geht,
    • Welche der Möglichkeiten gewählt wird, entscheidet der Vorsitzende, nachdem dieser die Klageschrift erhalten hat. Beide Möglichkeit münden aber in der mündlichen Verhandlung (deutlicher: haben, wie gesagt, die Aufgabe, den Haupttermin vorzubereiten).
  18. Welche Belehrungen erteilt der Vorsitzende dem Beklagten mit Zustellung der Klageschrift nach Wahl eines schriftlichen Vorverfahrens?
    • Der Vorsitzende erteilt dem Beklagten mit Zustellung der Klageschrift bei einem schriftlichen Vorverfahren nach § 276 I 1 ZPO die Belehrung über die Notfrist von zwei Wochen zur Anzeige über die Verteidigungsbereitschaft. Zudem wird dem Beklagten auch eine weitere Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur Erwiderung der Klage gesetzt nach § 276 I 2 ZPO. Der Beklagte ist nach § 276 II ZPO darauf hinzuweisen, dass Versäumung der Frist ein Versäumnisurteil gegen ihn ergehen kann, die zudem nach Satz 2 auch die Rechtsfolgen des § 708 Nr. 2 zu umfassen hat. Weiterhin muss beim landgerichtlichen Verfahren darauf hingewiesen werden, dass nur der Rechtsanwalt die Verteidigungsbereitschaft anzeigen kann und auch das Fehlen einer Erklärung durch den Rechtsanwalt zu einem Versäumnisurteil führen kann. Hierzu sind auch die Rechtsfolgen des § 91 ZPO beizufügen.
  19. Wodurch tritt die Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes ein?
    • Nach § 261 Abs. 1 wird der Streitgegenstand durch Erhebung der Klage rechtshängig. Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung des Schriftsatzes, § 253 Abs. 1.
  20. Was ist deren Folge?
    • Die Folgen der Rechtshängigkeit sind in § 261 Abs. 3 genannt:
    • Nr. 1: Während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden
    • Nr. 2: die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (perpetuatio fori)
    • Außerdem ist nach § 263 nach Eintritt der Rechtshängigkeit eine Änderung der Klage nur noch zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich erachtet.
    • Sonstige Wirkungen der Rechtshängigkeit finden sich auch in § 262.

VorlesungSb/ZPO2011/FragenVorlesung20111128 (zuletzt geändert am 2012-01-28 19:40:27 durch anonym)