VorlesungSb/ZPO2011/FragenVorlesung20111114 hier beschreiben...

Fragen zur Vorlesung vom 2011 11 14

  1. Es gibt Fälle eines gesetzlichen Parteiwechsels, wie etwa den des § 239 - an die Stelle des Erblassers treten die Erben. Ist auch ein gewillkürter Parteiwechsel möglich?
    • Ein gewillkürter Parteiwechsel ist zwar in der ZPO nicht ausdrücklich geregelt. Dennoch ist allgemein anerkannt, dass ein gewillkürter Parteiwechsel aufgrund praktischer Bedürfnisse, wie der Vermeidung eines weiteren Prozesses bei einem falschen Beklagten, möglich sein muss. (Pohlmann § 10 Rn. 28)
  2. Über die Voraussetzungen eines gewillkürten Parteiwechsels streiten Rechtssprechung und Literatur. Worin besteht der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Auffassungen?
    • Die Rechtsprechung, insbesondere das RG, aber im Ansatz auch der BGH gehen davon aus, dass es sich bei einem gewillkürten Parteiwechsel um eine Klageänderung handelt. In der Literatur wird dagegen bei einem gewillkürten Parteiwechsel eine Klagerücknahme und eine neue Klageerhebung angenommen. Zudem wird in der Literatur wegen dieser unterschiedlichen Bewertungen auch ein Rechtsinstitut sui generis bei gewillkürtem Parteiwechsel angenommen. Es wird auf die Wertungen der §§ 263, 269 ZPO und die gesetzlich geregelten Fälle des Parteiwechsels abgestellt. (Pohlmann § 10 Rn. 29 ff.)
  3. Halten wir also fest: In erster Instanz scheidet der alte Beklagte aus: ohne seine Zustimmung, wenn noch nicht mündlich verhandelt wurde; mit Zustimmung, wenn mündlich verhandelt wurde (§ 269 Absatz 3 Satz 1); ohne Zustimmung, wenn mündlich verhandelt wurde und die Verweigerung der Zustimmung rechtsmissbräuchlich ist.
  4. Der neue Beklagte wird Partei, wenn er zustimmt oder dies sachdienlich ist. Im letzteren Fall kann allerdings die Prozessökonomie mit dem Anspruch eines neu in den Rechtsstreit einbezogenen Beklagten kollidieren, sich uneingeschränkt verteidigen zu können, und eine erneute Beweisaufnahme erforderlich machen (BGH NJW 1996,196).
  5. Der Klägerwechsel ist zulässig, wenn der alte und der neue Kläger einverstanden sind und der Beklagte zustimmt oder die Einbeziehung sachdienlich ist.
  6. Wann sprechen wir von einer Streitgenossenschaft?
    • Eine Streitgenossenschaft liegt dann vor, wenn auf Kläger- und/oder Beklagtenseite mehr als eine Person steht. (Pohlmann § 14 Rn. 12)
  7. Wie entsteht eine Streitgenossenschaft?
    • Eine Streitgenossenschaft entsteht durch die Klage mehrerer Personen oder gegen mehrere Personen, eine parteierweiternde Drittwiderklage, den Beitritt einer Partei, mehrere Gesamtrechtsnachfolger, die an die Stelle einer Partei treten oder durch Prozessverbindung (§ 147 ZPO). (Pohlmann § 14 Rn. 13)
  8. Welche Arten der Streitgenossenschaft kennen Sie?
    • Es gibt die einfache (§ 59 ZPO) und die notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO).
  9. Wann ist die einfache Streitgenossenschaft zulässig?
    • Nach § 59 ZPO ist die einfache Streitgenossenschaft zulässig, wenn mehrere Personen hinsichtlich des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben rechtlichen oder tatsächlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind. Nach § 60 ZPO kann eine einfache Streitgenossenschaft zulässig sein, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.
  10. Unterstellt, die Voraussetzungen für eine zulässige einfache Streitgenossenschaft lägen nicht vor - wird die Klage dann als unzulässig abgewiesen?
    • Die Klage wird nicht als unzulässig abgewiesen, da die Voraussetzungen der einfachen Streitgenossenschaft keine Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage, sondern nur der Verbindung der Klagen in einer Verhandlung und Entscheidung sind. Die Klagen werden dann getrennt verhandelt. (Pohlmann § 14 Rn. 18)
  11. Nennen Sie ein Beispiel für eine aus materiellrechtlichen Gründen notwendige Streitgenossenschaft.
    • Ein Beispiel für eine aus materiellrechtlichen Gründen notwendige Streitgenossenschaft ist ein Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache eines Klägers gegen eine Erbengemeinschaft als Beklagte. Gegen die Personen der Erbengemeinschaft kann die Entscheidung nur einheitlich ergehen, da nur alle gemeinsam zur Herausgabe der Sache verpflichtet sind.
  12. Welche das Gericht betreffenden Sachentscheidungsvoraussetzungen kennen Sie?
    • Das Gericht betreffende Sachentscheidungsvoraussetzungen sind die deutsche Gerichtsbarkeit, die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs und die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit des Gerichts.
  13. Worum geht es, wenn ein Gericht als Sachentscheidungsvoraussetzung die „Deutsche Gerichtsbarkeit“ prüft? Was, wenn diese Voraussetzung fehlt?
    • Es geht darum, dass die Gerichtshoheit der Bundesrepublik Deutschland auf das Territorium der BRD begrenzt ist. Auf diesem Territorium unterliegen zwar grundsätzlich alle Personen der deutschen Gerichtsbarkeit, allerdings machen die §§ 18- 20 GVG hiervon für diplomatische und konsularische Vertreter sowie für Repräsentanten ausländischer Staaten und deren Begleitung eine Ausnahme (exterritoriale Personen). Wenn diese Voraussetzung fehlt ist jede Handlung des Gerichts nichtig und jede Klage unzulässig.
  14. Wann ist der Zivilrechtsweg zulässig? Was, wenn er unzulässig ist?
    • Der Zivilrechtsweg ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 13 GVG gegeben sind. Wenn er unzulässig ist, so spricht das Gericht von Amts wegen nach Anhörung nach § 17 a II GVG die Unzulässigkeit aus und verweist den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs.
  15. Welche Theorien werden zur Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht vertreten?
    • Zur Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht werden drei Theorien vertreten. Die Subordinationstheorie, die Interessentheorie und die modifizierte Subjektstheorie müssen hier genannt werden. Nach der Subordinationstheorie liegt öffentliches Recht vor, wenn zwischen den Parteien des Rechtsstreits eine Über-Unterordnungsverhältnis besteht. Nach der Interessentheorie ist zu fragen, ob die streitentscheidende Norm im öffentlichen oder im privaten Interesse erlassen wurde. Die modifizierte Subjektstheorie stellt darauf ab, ob die streitentscheidende Norm eines des öffentlichen oder des Privatrechts ist. Dies soll damit festgestellt werden, dass immer dann eine öffentlich-rechtliche Norm vorliegt, wenn der Staat oder eine seiner Untergliederungen in seiner oder ihrer spezifischen Eigenschaft handeln.
  16. Wann ist ein deutsches Gericht international zuständig? Hat die Bejahung der internationalen Zuständigkeit zur Folge, dass der Rechtsstreit ausschließlich nach deutschem Recht entschieden wird?
    • Ein deutsches Gericht ist dann international zuständig, wenn Rechtsvorschriften bei Streitigkeiten mit Auslandsbezug, wie die europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen oder Staatsverträge wie das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen, dies bestimmen. Wenn keine Regelung vorhanden ist, gilt die ZPO, wonach die internationale Zuständigkeit grundsätzlich den Regeln über die örtliche Zuständigkeit folgt. (Pohlmann § 5 Rn. 17)
  17. Was ist unter der sachlichen Zuständigkeit zu verstehen?
    • Unter der sachlichen Zuständigkeit versteht man die Zuständigkeit für einen Rechtsstreits in der ersten Instanz. In Frage kommen Amtsgericht (§ 23 GVG) oder Landgericht nach § 71 GVG. Sie wird in der Regel durch den Wert des Streitgegenstandes entschieden. (Pohlmann § 5 Rn. 19)
  18. Was unter der örtlichen?
    • Unter der örtlichen Zuständigkeit versteht man die Bestimmung, welches sachlich zuständige Gericht innerhalb eines Bezirks den konkreten Fall zu entscheiden hat. (Pohlmann § 5 Rn. 20)
  19. Welche Arten von Gerichtsständen kennen Sie?
    • Es gibt allgemeine und besondere Gerichtsstände (§ 12 ZPO allgemeiner oder § 20 ZPO besonderer) und auch ausschließliche Gerichtsstände (§§ 24, 29a, 34 ZPO).
  20. Beziehen sich die §§ 38 ff. auf die örtliche oder sachliche Zuständigkeit des Gerichts?
    • Die §§ 38 ff. ZPO beziehen sich sowohl auf die örtliche wie auch auf die sachliche Zuständigkeit. Die Prorogation ist unter engen Voraussetzungen möglich.
  21. Was, wenn ein Gericht sachlich oder örtlich unzuständig ist und der Beklagte sich nicht rügelos zur Sache einlässt?
    • Wenn der Beklagte die Unzuständigkeit rügt, muss das Gericht die Klage als unzulässig abweisen. Allerdings kann der Kläger nach § 281 I 1 ZPO beantragen, dass das angerufene Gericht sich durch Beschluss für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweist. (Pohlmann § 5 Rn. 233)
  22. Wenn in einer Sache mehrere Gerichtsstände denkbar sind - heißt das, dass der Kläger auch an mehreren Orten gleichzeitig klagen könnte?
    • Nein, der Kläger kann bei mehreren Gerichtsständen auswählen, an welchem er klagen möchte. Will er die selbe Streitsache aber noch an einem anderen Gericht anhängig machen, ist diese zweite Klage nach § 261 III Nr. 1 ZPO wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig.

VorlesungSb/ZPO2011/FragenVorlesung20111114 (zuletzt geändert am 2012-01-25 14:28:13 durch anonym)