Fragen zur Vorlesung vom 2011 10 25

Beantworten Sie bitte alle nachfolgenden Fragen unter Benennung einer konkreten Vorschrift

  1. Was ist unter „einstweiligem Rechtsschutz“ zu verstehen ?
    • Einstweiliger Rechtsschutz ist die aufgrund des staatlichen Justizgewährungsanspruchs zur Verfügung gestellte Möglichkeit in einem Eilverfahren seine Rechte zu sichern oder Rechtsverhältnisse vorläufig zu regeln. Die ZPO gewährt diese Möglichkeit im 8. Buch durch Arrest und einstweilige Verfügung. Diese Eilverfahren sind notwendig, da bis zu einer gerichtlichen Entscheidung mehrere Monate vergehen können und in dieser Zeit die Gefahr besteht, dass die Ansprüche nach Urteilserlass nicht mehr oder nur noch wesentlich erschwert durchgesetzt werden können (Pohlmann § 1 Rn. 9, 10).
  2. Was ist unter einem „Arrest“, was unter einer „einstweiligen Verfügung“ zu verstehen ? Wodurch unterscheiden sich beide ?
    • Unter einem Arrest versteht man eine gerichtliche Anordnung nach einem vorläufigen Erkenntnisverfahren, die der Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen des Schuldners wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann, dient (§ 916 I ZPO). Unter einer einstweiligen Verfügung versteht man die gerichtliche Anordnung nach einem vorläufigen Erkenntnisverfahren, die der Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen sonstiger Ansprüche, die nicht Geldforderungen sind und nicht in Geldforderungen übergehen können, dient. Der Unterschied besteht darin, dass Arreste nur der Sicherung von Ansprüchen in Geld dienen, während einstweilige Verfügungen alle anderen Ansprüche sichern sollen.
  3. Welchem Arten des Arrestes kennen Sie ?
    • Grundsätzlich ist zwischen persönlichem (§ 918 ZPO) und dinglichem (§ 917 ZPO) zu unterscheiden.
  4. Welche Arten der einstweiligen Verfügung kennen Sie ?
    • Es gibt drei Arten der einstweiligen Verfügung, nämlich die Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO), die Regelungsverfügung(§ 940 ZPO) und die Leistungsverfügung (Lackmann § 51 Rn. 716, 718).
  5. Widerspricht die Existenz einer sog. Leistungsverfügung (etwa „Geld zum Überleben“) nicht der oben Nummer 2 getroffenen Unterscheidung zwischen Arrest und einstweiliger Verfügung ?
    • Die Leistungsverfügung hat im Grunde mit dem Arrest nichts zu tun. Sie wird von der Rechtsprechung, die sie entwickelt hat, auch nur in sehr engen Grenzen und in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in dem Fall, dass Unterhalt zum Überleben geleistet werden muss, angewandt. Sie stellt zudem eine Vorwegnahme der Hauptsache dar, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich vermieden werden soll.
  6. Unter welchen Voraussetzungen sind Arrest und einstweilige Verfügung zulässig ?
    • Arrest ist dann zulässig, wenn ein Arrestgesuch nach § 920 ZPO vorliegt, das zuständige Arrestgericht angerufen wird, die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen und ein Arrestanspruch sowie ein Arrestgrund behauptet werden.
    • Eine einstweilige Verfügung ist dann zulässig, wenn ein Verfügungsantrag nach §§ 936, 920 ZPO gestellt wurde, das zuständige Gericht nach § 937 I ZPO angerufen wurde, die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen und ein Verfügungsanspruch sowie ein Verfügungsgrund vorgetragen wurden.
  7. Form und Inhalt von Arrest- und einstweiligem Verfügungsantrag ?
    • Der Antrag auf Arrest soll nach § 920 I ZPO die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. Nach § 920 III ZPO kann das Arrestgesuch vor der Geschäftsstelle zu Protokoll gegeben werden. Entsprechendes gilt gemäß § 936 ZPO für die einstweilige Verfügung mit der Ausnahme, dass hier nicht die Angabe eines Geldbetrages, sondern nur das Rechtsschutzziel angegeben werden muss, aber keine bestimmte Maßnahme.
  8. Welches Gericht ist ausschließlich zuständig ?
    • Grundsätzlich ist ausschließlich das Gericht der Hauptsache zuständig. (§§ 919 1. Alt., 937 I ZPO) Allerdings gibt es in § 919 2. Alt. ZPO für den Arrest und in § 942 I ZPO für die einstweilige Verfügung die Zuständigkeit des Amtsgerichts der belegenen Sache und beim Arrest auch diejenige des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die in der persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich befindet.
  9. Kann ein Hauptsacheverfahren parallel zum einstweiligen Verfügungsverfahren betrieben werden ?
    • Aus § 926 I ZPO kann man im Wege des Erst-recht-schlusses deuten, dass ein Hauptsacheverfahren sowohl parallel zum einstweiligen Verfügungsverfahren als auch zum Arrestverfahren betrieben werden kann. Wenn das Gericht nach Erlass des Arrestbefehls oder über § 936 ZPO nach Erlass der einstweiligen Verfügung auf Antrag die Erhebung der Hauptsacheklage anordnen kann, so kann diese erst recht auch vor Erlass des Arrestbefehls oder der einstweiligen Anordnung rechtshängig sein.
  10. Kann man sagen, dass die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 861 BGB den Verfügungsgrund indiziert ?
    • Man kann sagen, dass die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 861 BGB den Verfügungsgrund indiziert, da bei verbotener Eigenmacht in der Regel eine Eilbedürftigkeit an der Wiedereinräumung des Besitzes an der Sache besteht. Die Anwendung verbotener Eigenmacht geschieht in der Regel für den Betroffenen überraschend, so dass ihm zunächst keine Reaktionsmöglichkeit bleibt, seinen rechtmäßigen Besitz anderweitig zu verteidigen. Es wird dann auch geboten sein Eilbedürftigkeit anzunehmen, da dann ein deutlich überwiegendes Interesse an der Anordnung für den Betroffenen spricht.
  11. Unter welchen Voraussetzungen sind Arrest und einstweilige Verfügung begründet ?
    • Arrest und einstweilige Verfügung sind dann begründet, wenn nach summarischer Prüfung ein Arrest- oder Verfügungsanspruch besteht und zudem ein Arrest- oder Verfügungsgrund gegeben ist.
  12. Arrest- und Verfügungsgrund und - anspruch sind glaubhaft zu machen - was bedeutet das ?
    • Die ZPO sagt in § 294 I, dass wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft machen muss, sich aller Beweismittel bedienen darf. Grundsätzlich reicht es zur Glaubhaftmachung aus, wenn eine Versicherung an Eides statt auf die Behauptung geleistet wird. Die Glaubhaftmachung stellt geringere Anforderungen an die Beweisführung als an diejenige, die zur Überzeugung des Gerichts erforderlich ist. Es muss eine bloß überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass die behauptete Tatsache wahr ist und es müssen nicht wie bei der Überzeugung auch letzte Zweifel ausgeräumt werden.
  13. Kann der Arrestbefehl bzw. die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung, ja ohne jedwede Anhörung des Antragsgegners ergehen ?
    • Nach § 922 I 1 2.Hs kann der Arrestbefehl auch ohne mündliche Verhandlung ergehen, da das Gericht in diesem Fall durch Beschluss entscheidet. Nach § 937 II kann bei der einstweiligen Verfügung in dringenden Fällen sowie bei Zurückweisung des Erlasses die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.
  14. Was ist unter einer Schutzschrift zu verstehen ?
    • Unter einer Schutzschrift versteht man die Reaktion eines Abgemahnten auf einen bevorstehenden Antrag auf einstweilige Verfügung durch den Abmahnenden. Der Schriftsatz wird vor Antragsstellung des Abmahnenden durch den Abgemahnten an das für den einstweiligen Rechtsschutz zuständige Gericht übersandt. Dadurch soll verhindert werden, dass das Gericht ohne die Sicht des Abgemahnten zu kennen, eine Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz trifft, was nach der ZPO ohne weiteres möglich wäre.
  15. Welcher Rechtsbehelf steht dem Antragsgegner gegen Arrestbefehl und einstweilige Verfügung zur Seite ?
    • Der Antragsgegner kann gegen die Anordnung des Arrestes und der einstweiligen nach § 924 I Widerspruch einlegen. Dieser gilt gemäß § 936 ZPO auch für die einstweilige Verfügung. Wenn Widerspruch erhoben wird, ist die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Arrestes oder der einstweilige Verfügung durch Endurteil zu fällen.(§ 925 I ZPO)
  16. Was, wenn der Arrest bzw. die einstweilige Verfügung durch Urteil bestätigt wird ?
    • Wenn die einstweilige Verfügung oder der Arrest durch Urteil bestätigt wird, liegt in diesem Urteil selbst ein Vollstreckungstitel nach § 704 ZPO. Aus diesem kann der Gläubiger gegen den Schuldner vollstrecken. Dem Schuldner steht aber gegen dieses Endurteil nach § 511 I ZPO die Berufung offen.
  17. Wie und innerhalb welcher Frist werden Arrest und einstweilige Verfügung vollzogen ?
    • Arrest und einstweilige Verfügung werden nur innerhalb eines Monats nach Zustellung an den Gläubiger durch das jeweils zuständige Vollstreckungsorgan vollzogen (Gerichtsvollzieher nach § 753 I ZPO ,Vollstreckungsgericht nach §§ 764, 828 ZPO und Prozessgericht 1. Instanz nach §§ 887-889 ZPO).
  18. Kann der Antragsgegner den Antragsteller zwingen, Klage zur Hauptsache zu erheben ?
    • Ja, vgl. § 926 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschrift ermöglicht es dem Schuldner, den Arrestgläuiger zur Erhebung der Klage in der Hauptsache zu zwingen, damit der Streit endgültig geklärt werden kann. Daher kann er beantragen, dass das Arrestgericht dem Gläubiger eine Frist zur Klageerhebung setzt (vgl.: Nomos HK ZPO, Kemper, § 926 Rn. 1). Entsprechend gilt dies dann auch für die einstweilige Verfügung nach § 936 ZPO.
  19. Was ist unter einem selbständigen Beweisverfahren zu verstehen ?
    • Unter einem selbständigen Beweisverfahren versteht man nach § 485 ff. ZPO das unabhängig von einem Streitverfahren beantragbare Verfahren zur Sicherung von Beweisen, wenn zu befürchten ist, dass das Beweismittel verloren oder die spätere Beweisaufnahme erheblich erschwert wäre oder die gegnerische Partei zustimmt. (§ 485 I ZPO)

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