Fragen zur Vorlesung vom 2011 10 24

  1. Nachtrag: Wir hatten gesagt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Anwalts der obsiegenden Partei tragen muss - woraus ergibt sich das?
    • Das ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1.
  2. Wo finden Sie Regelungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe?
    • §§ 114 f.
  3. Welches sind die Rechtsfolgen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe?
    • Ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt worden, werden die Gebühren und Auslagen des Gerichtes (ein Kostenvorschuss an das Gericht ist nicht zu leisten) und des eigenen Prozessbevollmächtigten von der Staatskasse übernommen, dagegen nicht die Kosten des gegnerischen Prozessbevollmächtigten.
  4. Welches sind die Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe?
    • Die Prozesskostenhilfe wird nur auf Antrag gewährt. Weiterhin setzt die Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 114 voraus:
    • Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung muss hinreichende Aussicht auf Erfolg haben, d.h. vom Gericht werden summarisch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache geprüft.
    • Die Rechtsverfolgung darf nicht mutwillig sein. Dies ist der Fall, wenn eine verständige Partei auch ohne Prozesskostenhilfe ihr Recht in gleicher Weise verfolgen würde.
    • Dem Antragsteller müssen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen fehlen, um die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung aufzubringen (Mittellosigkeit). Hierzu hat der Antragsteller gem. § 117 Abs. 2 seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen. Diese Angaben werden nach Maßgabe von § 115 bei der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe berücksichtigt.
    • Schließlich ist der Gegner vor der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu hören, wenn dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint, § 118 Abs. 1 Satz 1.
  5. Wie beurteilt sich, ob eine Partei "arm" im Sinne des Prozesskostenrechts ist?
    • Dies beurteilt sich nach § 115.
  6. Wann hat die Rechtsverfolgung/Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg?
    • Wenn nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg wahrscheinlicher ist, als ein Scheitern
    • Faustformel: Kläger bekommt Prozesskostenhilfe, wenn die Klage schlüssig ist und der Kläger für die in seiner Beweislast stehenden Tatsachen Beweis angetreten hat; der Beklagte, wenn sein Bestreiten erheblich ist und er für die in seiner Beweislast stehenden Ttsachen Beweis angetreten hat.
  7. Ist ein möglich, dass beide Parteien in ein und demselben Rechtsstreit Prozesskostenhilfe bekommen?
    • Ja, was besonders deutlich wird, wenn man sich die Faustformel (oben Nr. 6) vor Augen führt.
  8. Wann ist die Rechtsverfolgung/Rechtsverteidigung muwillig?
    • Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung/Rechtsverteidigung insbesondere dann anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falles, besonders auch der für die Eintreibung ihres Anspruches bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen würde.
  9. Wird auch dann Prozesskostenhilfe bewilligt, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht?
    • Nein, denn dann kann die Partei eben durch die Rechtsschutzversicherung die Kosten für das Verfahren aufbringen. Die Voraussetzungen des § 114 liegen nicht vor.
  10. Worüber "streiten" Anwälte und Rechtsschutzversicherer ganz aktuell (vgl. etwa Süddeutsche vom 19. Oktober 2011)?
  11. Was geschieht, wenn die Versicherung den Rechtsschutz wegen mangelnder Erfolgsaussichten ablehnt?
    • In den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Debeka, die in der nächsten Frage zu finden sind, gibt nach Ablehnung durch die Versicherung auf Antrag des Versicherungsnehmers der beauftragte Anwalt auf Kosten der Versicherung eine Stellungnahme über die Erfolgsaussichten ab. Diese Stellungnahme ist dann für beide Seiten bindend, es sei denn, dass die Einschätzung des Anwalts nicht mit der tatsächlichen Sach- oder Rechtslage übereinstimmt. Diese Vermutung kann in einem Gerichtsverfahren durch den Versicherungsnehmer (über Prozesskostenhilfe) als auch durch die Versicherung widerlegt werden.
  12. Haben Sie sich die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung einmal im Internet angesehen?
  13. Was ist unter gewerblicher Prozessfinanzierung zu verstehen?
    • Normalerweise übernimmt ein Kläger selbst die Finanzierung seines Prozesses. Es gibt aber auch alternative Möglichkeiten einer Prozessfinanzierung. Prozessfinanzierer übernehmen gewerblich die Finanzierung eines Rechtsstreits. Im Gegenzug erhalten Sie - falls der Prozess gewonnen wird - einen erheblichen Teil von der erstrittenen Summe. Die Prozessfinanzierung wirkt daher für den Mandanten ähnlich, wie ein Erfolgshonorar.
  14. Der sicherlich zeitaufwändigste Teil der Betreuung eines Mandanten ist die Sachverhaltsfeststellung. Kann man sagen, die Sachverhaltsfeststellung sei stets eine "Bringschuld" des Mandanten oder treffen den Rechtsanwalt Nachfragepflichten?
    • Der Rechtsanwalt ist bei einem komplexen Sachverhalt zu ergänzender schriftlicher Nachfrage bei seinem Mandanten gehalten. (BGH, Beschl. v. 15.10.2009 - IX ZR 232/08).
  15. Im Rahmen der Rechtsprüfung wird der Rechtsanwalt regelmäßig auch der Frage nachgehen, ob eine nichtstreitige Beilegung des Konfliks möglich ist. Welche Möglichkeiten kommen in Betracht?
    • Alternativen zum streitigen gerichtlichen Verfahren, d.h. Möglichkeiten nichtstreitiger Erledigung (Mediation, Schlichtung) sowie vor allem staatsferne Möglichkeiten streitiger Entscheidung (Schiedsverfahren: §§ 1025-1066 ZPO).
  16. Welche Vorteile bietet die Beilegung eines Rechtsstreits durch Vergleich?
    • Der Vergleich ermöglicht im Gegensatz zum Urteil einen viel weiteren Gestaltungsraum. Gegenstand des Vergleichs kann alles sein, was sich rechtlich regeln lässt. Weiterhin können auch Dritte, soweit sie dazu bereit sind, einbezogen werden. Zudem kennt der Vergleich keinen Sieger und keinen Verlierer, was bei Rechtsstreitigkeiten in engen Verhältnissen (Familie, Hausgemeinschaft usw.) von Vorteil ist.
  17. Was ist unter einem Mediationsverfahren zu verstehen?
    • Das Mediationsverfahren soll es den Parteien ermöglichen, ausgehend von dem aktuellen Rechtsstreit ihre eigentlichen Interessen zu erkennen und Ideen zur Bewältigung des Konflikts zu entwickeln. Es geht nicht darum, wer an der Entstehung der Streitigkeit „Schuld" hat und welche Verantwortung daraus folgt. Maßgeblich ist vielmehr, zu erkennen, wie es für beide Seiten weitergehen kann, welche Möglichkeiten es für eine konfliktfreiere Zukunft gibt. Ein solches Verfahren, das in verschiedenen Schritten abläuft, führt oft zu kreativen und beide Seiten befriedigenden Lösungen. Die Mediatoren fördern die Kommunikation und Interessensklärung zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel, eine von ihnen selbst verantwortete Lösung des Konflikts zu ermöglichen.
  18. Wird für ein Mediationsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt?
    • Für ein gerichtlich angeordnetes Mediationsverfahren kann PKH gewährt werden (AG Eilenburg Beschluss vom 23.04.2007 AZ: 002 F 00168/07). Bei privaten Mediationsverfahren wird keine PKH zu gewähren sein, da es sich nicht um ein staatliches oder von staatlichen Organen angeordnetes Verfahren handelt. Im außergerichtlichen Bereich, der auch das Verfahren nach § 15 a EGZPO umfasst, gelten die Regelungen des Gesetzes über die Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (BerHG), siehe Pohlmann § 16 Rn. 15.
  19. Was sind Vor- und Nachteile eines Mediationsverfahrens im Verhälnis zu einem Zivilprozess?
    • Vorteile eines Mediationsverfahrens im Verhältnis zum Zivilprozess: eigenes Wiederfinden; Zusammenführung; kalkulierbare Kosten durch Selbstbestimmtheit; es gibt keinen Sieger oder Verlierer; individuelle Akzeptanz; dauert nicht so lange wie ein Zivilprozess
    • Nachteile eines Mediationsverfahrens im Verhältnis zum Zivilprozess: beschränkter Anwendungsbereich; Frustration bei Abbruch; keine Rechtsbindung
  20. Wo finden Sie Schlichtungs- und Gütestellen?
    • Eine Gütestelle ist eine staatlich anerkannte Stelle zur außergerichtlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. Die meisten staatlich anerkannten Gütestellen sind von Personen besetzt, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, es gibt aber auch Sachverständige, die als Gütestelle staatlich anerkannt sind.
    • Eine Schlichtungsstelle ist eine Einrichtung eines Verbandes oder eines Vereins, vor der Streitfälle außergerichtlich behandelt werden.
  21. Was ermöglicht § 15 a EGZPO?
    • § 15 a EGZPO ermöglicht es den Ländern, dem Zivilverfahren in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 750 € sowie in bestimmten nachbarrechtlichen Streitigkeiten und „privaten“ Ehrstreitigkeiten unabhängig vom Streitwert ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vorzuschalten.
  22. Unterstellt, die Rechtsprüfung solle einen Prozess vorbereiten - was ist in einem solchen Fall der Maßstab der Rechtsprüfung?
    • Es geht um die Rechtsprüfung des Rechtsanwalts. Dieser wird zunächst prüfen, ob das von seinem Mandanten gegenüber ihm Vorgetragene eine schlüssige Klage ergeben kann. Dann wird er prüfen, welche möglichen Beweismittel für die von seinem Mandanten vorgebrachten Tatsachen zur Verfügung stehen, falls diese vom Beklagten bestritten werden. Schließlich wird er anhand dieser Informationen bewerten, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg haben kann.
  23. Was, wenn der Rechtsanwalt in einer erkennbar aussichtlosen Situation nicht davon abrät, Klage zu erheben?
    • Aus dem Anwaltsvertrag ergibt sich die Pflicht des Anwaltes, seinen Mandanten über die Erfolgsaussichten einer Klageerhebung umfassend aufzuklären. Unterlässt er diese Pflicht und entsteht dem Mandanten daraus in kausaler Weise ein Schaden, so macht der Anwalt sich durch seine Pflichtverletzung schadensersatzpflichtig.

VorlesungSb/ZPO2011/FragenVorlesung20111024 (zuletzt geändert am 2012-02-02 15:10:06 durch anonym)