VorlesungSb/SchildGerichtsverfassungsUndVerfahrensrecht/FragenVorlesungZwölfterApril hier beschreiben...

Fragen zur Vorlesung am 12. 04. 2011

  1. Was ist unter Gerichtsverfassungsrecht zu verstehen?
    • Das Gerichtsverfassungsrecht ist die Basis der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Es beschreibt die Summe der Regeln, die wegweisend für die Tätigkeit der Gerichte sind und deren Charakter ausmacht.
    • ist die organisatorische Gestaltung der Rechtspflege. Sie betrifft vor allem Aufbau und Zuständigkeit der Gerichte und anderer Rechtspflegeorgane.
    • beschreibt die Gesamtheit der Regeln, die für die Einrichtung und die Tätigkeit der Gerichte maßgeblich und charakteristisch sind.
  2. Wie ist das Gerichtsverfassungsrecht vom Verfahrensrecht abzugrenzen?
    • Gerichtsverfassungsrecht regelt die allgemeinen Grundsatzentscheidungen, das Verfahrensrecht regelt die Einzelfälle, also die konkrete Durchführung der Rechtsprechung im Einzelfall
  3. Was halten Sie von der von Schilken verwendeten Untergliederung der Kernbereiche des Gerichtsverfassungsrechts in Rechtsprechungsrechte, Organisationsregeln und Qualifikationsregeln?
    • Die Rechtsprechung beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Bürgern und Gerichten zueinander, die Organisationsregeln widerrum betreffen den Aufbau der Gerichtsbarkeit auf den verschiedenen Ebenen gerichtlicher Tätigkeit und die Qualifikationsregeln befassen sich mit den Eigenschaften, die die Organe der Gerichtsbarkeit aufweisen müssen. Meiner Meinung nach ist diese Aufteilung sinnvoll und auch treffend beschrieben.
  4. Welches sind die Rechtsquellen des Gerichtsverfassungsrechts und wer besitzt jeweils die Gesetzgebungskompetenz?
    • Die Rechtsgrundlagen des Gerichtsverfassungsrechts finden sich im Rechtsstaatsprinzip (Bindung ans Gesetz), im Sozialstaatsprinzip (alle können vor Gericht gehen, auch ohne große finanzielle Mittel) und in Art. 98 GG. Die Gesetzgebungskompetenz liegt gem. Art. 74 I Nr.1 GG beim Bund, sie ist also Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bund machte von diesem Recht auch Gebrauch indem er das GVG schuf. Die Gerichtsorganisation jedoch (Zahl der Gerichte, Einstellung + Bezahlung der Richter etc.) liegt bei den Ländern.
  5. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist eine wichtige verfassungsrechtliche Grundlage des Gerichtsverfassungsrechts - was ergibt sich aus dem Prinzip der Gewaltenteilung?
    • Das Gewaltenteilungsprinzip ist in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland in Art. 20 des Grundgesetzes (GG) verankert. Darin ist festgelegt, dass die Staatsgewalt durch "besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt" wird. Sinn und Zweck der Gewaltenteilung ist es, einen inneren Kontrollmechanismus innerhalb der staatlichen Organe zu schaffen, um einem Machtmissbrauch zu verhindern. Die einzelnen "Säulen" sind aufeinander angewiesen und können ihre Macht nicht allein ausüben.
  6. Der saarländische Ministerpräsident ist zugleich der Minister der Justiz des Saarlandes. Dies ist in den Augen mancher, die sich zur Begründung auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein - Westfalen (11/98 vom 09. 02. 1999) berufen, ein „Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz“. Liegt ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz vor und was lässt sich für die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung der Geschäftsbereiche im Saarland aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein - Westfalen herleiten? Nein, ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz liegt in diesem Fall nicht vor, denn der Ministerpräsident fällt in seiner Position Entscheidungen. Jedoch kann er als Minister der Justiz keine Entscheidungen treffen.
  7. Das Rechtsstaatsprinzip als unmittelbar verbindliche Leitidee unserer Verfassung ist eine weitere verfassungsrechtliche Grundlage des Gerichtsverfassungsrechts - was ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip?
    • Die Ausübung der Staatsgewalt muss durch Recht und Gesetz geregelt und begrenzt sein.
  8. In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 352/00 vom 20. 07. 2000) heißt es auszugsweise: „Der Beschwerdeführer wollte Anfang der 70er Jahre in der Stadt Saarbrücken ein Einkaufszentrum errichten. Die Stadt(die Beklagte des Ausgangsverfahrens)hatte das vorgesehene Bauareal im Entwurf eines Bebauungsplans ursprünglich als Sondergebiet ausgewiesen und mit dem Beschwerdeführer mehrfach über das Projekt, unter anderem über einen Erschließungsvertrag, verhandelt. Zum Abschluss des Vertrags und zur Erteilung der Baugenehmigung kam es jedoch nicht, da sie die Verhandlungen abbrach. Daraufhin begehrte der Beschwerdeführer mit seiner im August 1974 erhobenen Klage zunächst die Feststellung, dass die Stadt ihm zum Schadensersatz verpflichtet sei, da sie die Verhandlungen aus sachfremden Gründen abgebrochen und die Erteilung der Baugenehmigung nur aus vorgeschobenen Erwägungen versagt habe. Später beantragte der Beschwerdeführer die Verurteilung zur Zahlung von über 30 Mio. DM. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen hatte, hob der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Februar 1980 die oberlandesgerichtliche Entscheidung auf, da ein Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB oder öffentlichrechtlicher culpa in contrahendo in Betracht käme, und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück (vgl. BGHZ 76, 343). Nachdem das Oberlandesgericht die Berufung erneut zurückgewiesen hatte,hob der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 5. Mai 1983 auch diese Entscheidung auf und verwies die Sache wiederum an das Oberlandesgericht zurück vgl. BGH, WM 1983, S. 993). Daraufhin stellte das Oberlandesgericht mit Grundurteil vom 10. Juli 1984 fest, dass die Stadt dem Beschwerdeführer wegen des Abbruchs der Verhandlungen aus öffentlichrechtlicher culpa in contrahendo sowie aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Entscheidung zur Schadenshöhe behielt es dem Schlussurteil vor. Die dagegen eingelegte Revision der Beklagten nahm der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juli 1985 nicht zur Entscheidung an. Mit Schlussurteil vom 8. Juli 1986 verurteilte das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 5.798.142 DM nebst Zinsen an den Beschwerdeführer. Auf die von beiden Seiten eingelegte Revision hin hob der Bundesgerichtshof auch diese Entscheidung mit Urteil vom 22. Juni 1989 teilweise auf (vgl. BGH, NVwZ-RR 1989, S. 600). Im Umfang der Aufhebung verwies es die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück. Ein Urteil ist bislang (also bis zum 20. 07. 2000) noch nicht ergangen.“ Ist dies von Verfassungs wegen zu beanstanden?
  9. Welche grundrechtsähnlichen Rechte sind von fundamentaler Bedeutung für das Gerichtsverfassungsrecht?
    • Art. 101, 103, 104 GG
  10. In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 411/61 vom 25. 02. 1964) heißt es auszugsweise: „Das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Präsidenten des Landessozialgerichts, den Senatspräsidenten und den Kollegen war von Anfang an teilweise schwierig. Er galt als eigensinniger und uneinsichtiger Richter. Mehrere Senatsvorsitzende wehrten sich Ende 1959 bei der jährlichen Geschäftsverteilung dagegen, dass der Beschwerdeführer ihrem Senat zugeteilt werde. Von Anfang 1960 an war er dem vom Präsidenten des Landessozialgerichts geführten Dritten Senat zugeteilt, dessen Zuständigkeit durch Beschluss des Präsidiums vom 2. Mai 1960 im Wege einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans erheblich eingeschränkt wurde. Der zweite Beisitzer dieses Senats wurde mit seiner vollen Arbeitskraft gleichzeitig als ordentliches Mitglied eines anderen Senats bestimmt, während der Beschwerdeführer nur als Vertreter eines ordentlichen Mitglieds eines anderen Senats vorgesehen wurde. Diese Regelung wurde auch in den Geschäftsverteilungsplänen für 1961, 1962 und 1963 aufrechterhalten. In den drei Jahren hat der Beschwerdeführer nach Auskunft des Präsidenten des Landessozialgerichts nur an 36 Verfahren mitgewirkt, darunter nur in einer Sache als Berichterstatter. Von den 36 Verfahren wurden 25 in dem Termin, an dem er mitwirkte, ohne Entscheidung vertagt oder auf andere Weise als durch eine Entscheidung erledigt. Der Beschwerdeführer hat sich, seitdem er durch den Beschluss des Präsidiums vom 2. Mai 1960 praktisch beschäftigungslos … war, … “ Ist der Beschluss des Präsidiums von Verfassungs wegen zu beanstanden?
    • Natürlich, denn Art. 97 Absatz 2 GG sagt, die "hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden." Das im Sachverhalt angegebene Handeln des Präsidiums insbesondere, dass der Beschwerdeführer in drei Jahren nur in 36 Verfahren und davon nur in 11 richtig mitgewirkt hatte was auf den zu beanstandenden Beschluss zurückgeht, widerspricht also nach Art. 97 Absatz 2 GG dem sogenannten Gebot des gesetzlichen Richters.

  11. Kennen Sie Verfahrensmaximen des Gerichtsverfassungsrechts, des Zivilprozessrechts, des Strafprozessrechts?
    • Gerichtsverfassungsrecht:
      • der Justizgewährleistungsanspruch, das Gebot des gesetzlichen Richters, der Anspruch auf rechtliches Gehör, der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf faires Verfahren, der Grundsatz auf effektiven Rechtsschutz, der Öffentlichkeitsgrundsatz
    • Zivilprozessrecht:
      • die Dipositionsmaxime, der Verhandlungsgrundsatz, der Grundsatz der Mündlichkeit, der Unmittelbarkeitsgrundsatz, der Öffentlichkeitsgrundsatz, der Anspruch auf rechtliches Gehör, der Anspruch auf faires Verfahren, der Beschleunigungsgrundsatz (=Konzentrationsmaxime)
    • Strafprozessrecht:
      • das Offizialprinzip, das Legalitätsprinzip, der Anklagegrundsatz, der Ermittlungsgrundsatz
  12. Was ist unter dem Beibringungsgrundsatz und dem Untersuchungsgrundsatz zu verstehen?
    • Beibringungsgrundsatz: das Gericht muss bei der Entscheidungsfindung nur die von den Parteien in den Prozess eingebrachten Tatsachen berücksichtigen. Untersuchungsgrundsatz: die Verpflichtung der Gerichte und Behörden, den Sachverhalt von Amts wegen zu untersuchen.

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