Fragen zur Vorlesung vom 10. Juli 2012

  1. Welche Verfahrensmaximen beherrschen den Zivilprozess?
    • Der Zivilprozess wird von der Dispositionsmaxime, dem Beibringungs-/Verhandlungsgrundsatz, der richterlichen Prozessleitung, der Mündlichkeit, der Unmittelbarkeit und der freien richterlichen Beweiswürdigung beherrscht.
  2. Was ist unter der Dispositionsmaxime zu verstehen?
    • Hier setzt sich der Grundsatz der Privatautonomie fort. Die Parteien bestimmen über Beginn, Gegenstand und Ende des Verfahrens. Der Kläger bestimmt über Gegner und Gegenstand des Verfahrens (§ 253 ZPO), aber nicht über das Erforderte (§ 308 I ZPO). Er kann die Klage auch wieder zurücknehmen und zwar bis zu Beginn der mündlichen Verhandlung (wo die Anträge gestellt werden). Denn ab einem gewissen Zeitpunkt haben sowohl Kläger als auch Beklagter ein großes Interesse daran, dass die Sache geklärt wird.
  3. Welches ist das materiellrechtliche Gegenstück zur Dispositionsmaxime?
    • die Privatautonomie
  4. Was ist unter dem Beibringungsgrundsatz (Verhandlungsmaxime) zu verstehen?
    • Dieser ist nirdgenwo im Gesetz ausdrücklich erwähnt, obwohl es der tragendste Grundsatz des deutschen Zivilprozesses ist. Der Grundsatz besagt, dass die Tatsachen von den Parteien an das Gericht herangetragen werden.
  5. Was veranlasst den Gesetzgeber, davon auszugehen, trotz fehlender gerichtlicher Ermittlung des Sachverhalts komme das Gericht zu einer materiellrechtlich gerechten Entscheidung?
    • Aus wechselseitigem vortragen der Parteien entsteht ein klares Bild der Tatsachen.
  6. Aus welchen Normen lässt sich der Beibringungsgrundsatz herleiten?
    • Er lässt sich aus den §§ 137, 138, 331, 359 ZPO herleiten.
  7. Darf das Gericht Tatsachen, die keine Partei vorgetragen hat, seiner Entscheidung zugrunde legen?
    • Nein, es dürfen nur Tatsachen, die vorgetragen wurden, berücksichtigt werden.
  8. Unterstellt, nach einer Beweisaufnahme halte das Gericht eine dem Kläger günstige, zum Prozesserfolg führende Tatsache für erwiesen. Was, wenn der Kläger gleichwohl deren Vorliegen bestreitet. Darf das Gericht der Klage unter Zugrundelegung dieser Tatsache stattgeben?
    • Nein
  9. Darf das Gericht Beweis über unstreitige Tatsachen erheben?
    • Nein.
  10. Was, wenn eine Prozesspartei vorsätzlich Unwahres behauptet bzw. vorsätzlich wahren Sachvortrag der Gegenpartei bestreitet?
    • Das wäre ein Prozessbetrug
  11. Darf das Gericht in seinem Urteil auch nur die von einer der Parteien vorgetragenen Rechtsansichten vertreten?
    • Nein, das Gericht "erkennt das Recht" ( § 139 ZPO). Der Beibringungsgrundsatz bezieht sich nur auf Tatsachen nicht auf Rechtsansichten.
  12. Was ist unter dem Grundsatz der richterlichen Prozessleitung zu verstehen? Wie sähe eine gegensätzliche Verfahrensmaxime aus?
  13. Welche Möglichkeiten hat der Richter, auf einen zügigen Verfahrensablauf hinzuwirken? Beantworten Sie die Frage unter Zuhilfenahme gesetzlicher Vorschriften.
  14. Was ist unter dem Grundsatz der Mündlichkeit zu verstehen?
    • Darunter ist zu verstehen, dass die Anträge bei dem Verfahren nochmal laut vorgelesen bzw. vorgetragen werden.
  15. Hat ein mündliches Verfahren Vorteile gegenüber einem rein schriftlichen Verfahren?
  16. Werden in der mündlichen Verhandlung tatsächlich „die Anträge … aus den vorbereitenden Schriftsätzen verlesen“ (§ 297 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und „das Streitverhältnis … in freier Rede … in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung“ vorgetragen (§ 137 Abs. 2 ZPO)?
    • Nein, meistens ist das nicht der Fall, weil die Parteien auch nur Bezug auf die Anträge nehmen können (§ 297 II ZPO). Aber seit einiger Zeit versucht man den Grundsatz der Mündlichkeit wiederherzustellen, weil es dabei auch um die Akzeptanz der Parteien geht, welche sich sonst übergangen fühlen könnten, wenn ihr Prozess innerhalb von wenigen Minuten abgeschlossen ist.
  17. Wie versucht der Gesetzgeber zu erreichen, dass über die Streitsache (nicht nur rechtlich, sondern auch) tatsächlich, also im alltagssprachlichen Sinne, mündlich verhandelt?
    • Indem dem Richter Aufgaben übertragen werden. Ein Beispiel dafür wäre die Güteverhandlung, damit tatsächlich diskutiert und mündlich verhandelt wird, werden Schriftsätze und Anträge nochmals verlesen um eine Einführung vorzugeben (§ 297 ZPO) .
  18. Unter welchen Voraussetzungen kann das Gericht sein Urteil auch ohne mündliche Verhandlung fällen?
    • Wenn z.B der Beklagte im schriftlichen Vorverfahren (§ 276 ZPO) nicht innerhalb der Frist eine Klageerwiderung einreicht.
  19. Was ist unter dem Grundsatz der Unmittelbarkeit zu verstehen?
    • Es darf nur derjenige Richter das Urteil fällen, der in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung anwesend war (§ 309 ZPO).
  20. Kennen Sie Ausnahmen von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit?
    • Es ist zulässig das Beweisaufnahmen z.B vor einem beauftragten Richter (§§ 361, 375 I a ZPO) stattfinden. (Für mehr Bsp siehe unter Einführung ZPO IV. 6.)

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