Fragen zur Vorlesung vom 19. Juni 2012, Stand 3. Juli 2012

  1. Wie wird man/frau ehrenamtliche/r Richter/in (Beantworten Sie die Frage unter Bezugnahme auf die für amtsgerichtliche Schöffen geltenden Vorschriften, §§ 36, 42 GVG)?
    • 1) Vorschlagslisten der Gemeinden (§ 36 GVG)
    • 2) Wahlen aus der Vorschlagsliste durch ein Wahlgremium beim Landgericht (§ 42 GVG)
  2. Was ist zu beachten, wenn ehrenamtliche Richter, etwa Schöffen, aus einer Vorschlagsliste gewählt werden müssen?
    • Sie müssen tatsächlich gewählt und nicht etwa ausgelost werden.
  3. Was, wenn sie stattdessen ausgelost werden?
    • Dann sind sie nicht ordnungsgemäß gewählt und somit liegt ein Verstoß gegen Art 101 I 2 GG vor, da man seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde. Alle Entscheidungen der Kammer, in der ein ausgeloster Richter sitzt, werden aufgehoben und jeder Fall muss neu verhandelt werden.
  4. Wie werden Schöffen für bestimmte Sitzungen zugeteilt (Beantworten Sie die Frage unter Bezugnahme auf die für amtsgerichtliche Schöffen geltende Vorschrift des § 45 GVG)?
    • Die Sitzungen der Schöffen werden für das ganze Jahr im voraus festgelegt. Die genaue Zuteilung der Sitzungen erfolgt durch Auslosung in öffentlicher Sitzung. Das Los zieht der Richter beim Amtsgericht. (vgl. § 45 GVG)
  5. Was spricht für, was gegen die Beteiligung ehrenamtlicher Richter an der Rechtssprechung?
    • Für die Beteiligung spricht die teilweise hohe fachliche Qualifikation (wie ein Sachverständigen) und dass jeder, der schon einmal in einem Verfahren mitgearbeitet hat seine Erfahrungen nach außen transportiert und damit das Vertrauen in die bestehende Rechtsordnung stärkt.
  6. Was halten Sie davon, wenn gesagt wird (vgl. die Nachweise bei Schilken, Rdnr 517 f.), ehrenamtliche Richter sollten in Kommunikation mit den Berufsrichtern vor allem eine allzu formaljuristische Denkweise aufbrechen, doktrinäre und begriffliche Rechtsanwendung verhindern, gesunden Menschenverstand walten lassen? Es bestehe, wird weiter gesagt, ein Bedürfnis nach einer Plausibilitätskontrolle anhand gesellschaftlicher Wertungsmaßstäbe namentlich im Bereich der Strafgerichtsbarkeit. In der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit bestehe ein Interessengegensatz, der den Einsatz der den Sozialpartnern benannten ehrenamtlichen Richtern rechtfertige.
    • Die Auffassung, dass ehrenamtliche Richter eine Plausibilitätskontrolle anhand gesellschaftlicher Wertungsmaßstäbe vornehmen sollen und gesunden Menschenverstand in die Urteile einfließen, etc., ist nicht tragbar, da ehrenamtliche genau so an Recht und Gesetz gebunden sind wie jeder andere Richter auch, gesellschaftliche Einflüsse in die Urteilsbildung darf es nicht geben.
  7. Welche Unterschiede gibt es in der rechtlichen Stellung von Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern (Beantworten Sie die Frage unter Bezugnahme auf die für amtsgerichtliche Schöffen geltende Vorschrift des § 30 GVG)?
    • Die Schöffen üben das Richteramt während der Verhandlung in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht aus, soweit keine Ausnahmen bestimmt sind. (vgl. § 30 GVG)
  8. Welche Aufgaben hat die Staatsanwaltschaft?
    • Sie ist Herrin des Ermittlungsverfahren, erhebt Anklage, auch durch den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, verliest die Anklageschrift, nimmt in besonders schwerwiegenden Fällen Hausdurchsuchungen vor, zieht Tatwaffen bzw. Diebesgut ein und vernichtet dieses (MEHR!).
  9. Warum wird oft gesagt, die Staatsanwaltschaft sei die „objektivste Behörde der Welt“ (vgl. § 160 Abs. 2 StPO)?
    • Die Staatsanwaltschaft ermittelt in Strafsachen gegen den Angeklagten, um einen Verstoß gegen ein Gesetz zu sanktionieren. Sie ermittelt allerdings auch die zur Entlastung des Angeklagten dienenden Umstände, also objektiv.
  10. Wie ist die Staatsanwaltschaft aufgebaut?
    • Die Staatsanwaltschaft ist als selbstständiges Organ der Rechtspflege eine Behörde, die zwar dem Gericht gleichgeordnet, von ihm jedoch organisatorisch und auch funktional getrennt ist. Obwohl sie selbst keine "Recht spricht" iSd Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist sie Teil der rechtsprechenden Gewalt und somit auch ein Exekutivorgan, das in Zusammenwirken mit dem Gericht die Aufgaben der Justizgewährung erfüllt. Den Aufbau der Staatsanwaltschaft bestimmt § 141 GVG, der vorschreibt, dass bei jedem Gericht eine Staatsanwaltschaft bestehen soll (was auch bedeuten kann, dass eine Staatsanwaltschaft die Aufgaben an mehreren Gerichten wahrnimmt, weshalb nur zum Teil bei den Amtsgerichten eigene Staatsanwaltschaften bestehen). Die Staatsanwaltschaft ist dem Prinzip einer hierarchischen Behörde folgend aufgebaut: Geleitet wird sie vom sog. "ersten Beamten der Staatsanwaltschaft" (§§ 144, 145 GVG), der gegenüber den nachgeordneten Beamten weisungsbefugt ist (§ 146 GVG). Der erste Beamte hat auch die Aufgabe der Geschäftsverteilung inne; eine Verteilung im Voraus ist allerdings nicht erforderlich und der einzelne nachgeordnete Staatsanwalt bedarf keiners besonderen Auftrags, um tätig zu werden (§ 144 2. Halbsatz GVG).
  11. Was ist unter dem Devolutionsrecht, dem Substitutionsrecht (vgl. § 145 Abs. 1 GVG) und dem Weisungsrecht (§ 146 Abs 1 GVG) von vorgesetzten Beamten in der Staatsanwaltschaft zu verstehen?
    • Devolutionsrecht bedeutet, dass der erste Beamte alle Amtsverrichtungen selbst übernehmen kann. (vgl. § 145 I Alt. 1 GVG)
    • Substitutionsrecht bedeutet, dass der erste Beamte alle Amtsverrichtungen an einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten übertragen kann. (vgl. § 145 I Alt.2 GVG)
    • Unter dem Weisungsrecht versteht man, dass der erste Beamte dazu befugt ist, den anderen Beamten dienstliche Anweisungen zu geben, welchen die Beamte, selbst im Einzelfall, nachzukommen haben. (vgl. § 146 GVG)
  12. Hat das Justizministerium von Rechts wegen gegenüber der Staatsanwaltschaft ein Weisungsrecht auch im Einzelfall? Wie sieht die Praxis aus?
    • Ja, das Justizministerium hat auch im Einzelfall ein Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft (vgl. § 147 GVG), allerdings wird in der Praxis nur äußert selten Gebrauch davon gemacht.
  13. Was also sind die grundlegenden Unterschiede in der rechtlichen Stellung von Staatsanwälten und Richtern?
    • Staatsanwälte sind im Gegensatz zu Richtern an Aufgaben und Weisungen gebunden (von ihrem Vorgesetzten, etwa dem leitenden Oberstaatsanwalt, sie sind also Beamte. Richter hingegen sind unabhängig.
  14. Kennen Sie Vorschläge des Deutschen Richterbundes („Bund der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte“) für eine Reform der Staatsanwaltschaft?
    • Der DRB fordert die Abschaffung des Weisungsrechts der Justizministerien ggü. den Staatsanwaltschaften.
  15. Wie bewerten Sie das Ziel des Richterbundes, den Staatsanwaltschaften quasi richterliche Unabhängigkeit zu verleihen?
    • Dieses Vorhaben ist äußert kritisch zu bewerten, da in einem solchen Falle die tatsächliche Macht der Staatsanwaltschaft ausufern könnte (vom Justizministerium) und ihre Befugnisse (Durchsuchungen, Ermittlungen, Festnahmen etc.) nicht mehr zu kontrollieren wären.
  16. Wer sind die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (vgl. § 152 GVG)?
    • U.a. Polizei und der Zoll sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.
  17. Ist die Staatsanwaltschaft auch in der Praxis immer die „Herrin des Ermittlungsverfahrens“?
    • De jure ist die Staatsanwaltschaft bei Betrachtung von § 152 GVG und besonders § 163 StPO Herrin des Ermittlungsverfahrens. De facto erhält die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakten idR erst nach Abschluss der Ermittlungsarbeiten durch die Polizei. Auch in Grossverfahren ist es für die Staatsanwaltschaft nicht immer leicht, ihr Ermittlungskonzept gegenüber der an Personalausstattung pp. überlegenen (oft Bundes-)Polizei durchzusetzen.
  18. Welche Aufgaben hat ein Rechtspfleger nach dem Rechtspflegergesetz?
    • Die Aufgaben des Rechtspflegers sind in § 3 RPflG genannt. Man unterscheidet Voll-, Vorbehalts- und Teilübertragungen.
  19. Wie wird man Rechtspfleger und wodurch unterscheiden sich Richter- und Rechtspflegerberuf?
    • Voraussetzung ist der erfolgreiche Abschluss eines dreijährigen Vorbereitungsdienstes bestehend aus einem theroretischen Studium an einer FH und einem praktischen Ausbildungsabschnitt (i.d.R. bei einem Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft).
    • Rechtspfleger sind nicht persönlich unabhängig.
    • Gemäß § 9 RPflG sind sie zwar sachlich unabhängig, allerdings mit Einschränkungen (vgl. §§ 5, 8 RPflG).
  20. Was ist ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, was ein Gerichtsvollzieher?
    • Ein UdG ist ein Beamter des mittleren Justizdienstes, dem unter anderem die Organisation der Geschäftsstelle oder auch die Aufnahme von Erklärungen zu Protokoll obliegt.
    • Ein Gerichtsvollzieher ist auch ein Beamter des mittleren Justizdienstes, der eine Zusatzausbildung absolviert hat. Er ist dafür zuständig, das staatliche Zwangsmonopol im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchzusetzen.
  21. Welche Aufgaben hat ein Justizwachtmeister?
    • Früher hat ein Justizwachtmeister hauptsächlich die Akten transportiert, heute ist er vor allem für die Sicherheit im Gericht zuständig. Er kontrolliert die Personen bei Eintritt in das Gericht und verwendet dazu unter anderem Metalldetektoren (aber noch keine Körperscanner).
  22. Erläutern Sie die Begriffe höherer Dienst, gehobener Dienst, mittlerer Dienst, einfacher Dienst.
    • Diese Differenzierung spielt unter anderem bei der Bemessung der Besoldung eine Rolle. Es wird nach dem Berufsabschluss unterschieden.
    • Höherer Dienst sind im Rahmen der Justiz diejenigen, die ein abgeschlossenes Hochschulstudium absolviert haben.
    • Gehobener Dienst sind die Rechtspfleger.
    • Mittlerer Dienst sind die Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
    • Einfacher Dienst sind die Justizwachtmeister.

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