Fragen zur Vorlesung vom 15. Mai 2912, Stand: 26. Juni 2012

  1. An welchen Zivil- und Strafgerichten entscheiden Senate, Kammern, Einzelrichter (sog. Spruchkörper)?
    • Senate - Oberlandesgericht (§ 116 GVG) und BGH (§§ 130, 132 GVG)
    • Kammern - Landgericht, und zwar Zivilkammern Strafkammern, Kammern für Handelssachen usw. (§ 60 GVG)
    • Einzelrichter - Landgericht (vgl. §§ 348, 348 a ZPO) und Amtsgericht (§ 22 Abs. 1 GVG)
  2. Was spricht für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter, was für eine Entscheidung durch ein Kollegialgericht?
    • Für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter sprechen die Beschleunigung des Verfahrens, die Verbilligung des Verfahrens, die Steigerung der Verantwortlichkeit des Richters und die Möglichkeit zu beweglicher und individueller Verfahrensgestaltung. Für eine Entscheidung durch ein Kollegialgericht sprechen die ausgewogene Berücksichtigung unterschiedlicher Meinungen, eine höhere Merkfähigkeit und somit größere Sicherheit bei der Sachverhaltsvermittlung und auch eine bessere Sicherung vor Rechtsfehlern und damit eine Wahrung der Gesetzesbindung des Richters.
  3. Was ist Sinn und Zweck des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Gebot des gesetzlichen Richters)?
    • Der Richter, der für eine bestimmte Sache zuständig ist, soll bereits im Vorhinein, also bevor eine Sache bei Gericht eingeht, jedenfalls so feststehen, dass die Zuteilung von der Verwaltung nicht beeinflusst werden kann. Die Sache muss dem Richter quasi nach abstrakten Kriterien "zufallen"
  4. Wer stellt den gerichtsinternen Geschäftsverteilungsplan auf?
    • das Präsidium (Gerichtspräsident + gewählte Richter) nach § 21 e GVG
  5. Welchen Prinzipien gehorcht der gerichtsinterne Geschäftsverteilungsplan?
    • Das Prinzip des gesetzlichen Richters soll dadurch gewahrt werden. Es sollen Manipulationen verhindert werden. Diese spruchkörperinterne Geschäftsverteilung wird vom Vorsitzenden des jeweiligen Spruchkörpers festgelegt (§ 21g GVG).
  6. In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 411/61 vom 25. 02. 1964) heißt es auszugsweise: „Das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Präsidenten des Landessozialgerichts, den Senatspräsidenten und den Kollegen war von Anfang an teilweise schwierig. Er galt als eigensinniger und uneinsichtiger Richter. Mehrere Senatsvorsitzende wehrten sich Ende 1959 bei der jährlichen Geschäftsverteilung dagegen, dass der Beschwerdeführer ihrem Senat zugeteilt werde. Von Anfang 1960 an war er dem vom Präsidenten des Landessozialgerichts geführten Dritten Senat zugeteilt, dessen Zuständigkeit durch Beschluss des Präsidiums vom 2. Mai 1960 im Wege einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans erheblich eingeschränkt wurde. Der zweite Beisitzer dieses Senats wurde mit seiner vollen Arbeitskraft gleichzeitig als ordentliches Mitglied eines anderen Senats bestimmt, während der Beschwerdeführer nur als Vertreter eines ordentlichen Mitglieds eines anderen Senats vorgesehen wurde. Diese Regelung wurde auch in den Geschäftsverteilungsplänen für 1961, 1962 und 1963 aufrechterhalten. In den drei Jahren hat der Beschwerdeführer nach Auskunft des Präsidenten des Landessozialgerichts nur an 36 Verfahren mitgewirkt, darunter nur in einer Sache als Berichterstatter. Von den 36 Verfahren wurden 25 in dem Termin, an dem er mitwirkte, ohne Entscheidung vertagt oder auf andere Weise als durch eine Entscheidung erledigt. Der Beschwerdeführer hat sich, seitdem er durch den Beschluss des Präsidiums vom 2. Mai 1960 praktisch beschäftigungslos … war, … “ Ist der Beschluss des Präsidiums von Verfassungs wegen zu beanstanden?
  7. Ist eine Verteilung der eingehenden Zivilsachen nach einem Turnus, nach dem Klägernamen oder nach dem Beklagtennamen nach Sinn und Zweck des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig?
    • Eine Verteilung nach dem Beklagtennamen oder dem Turnus wäre zulässig, da danach eine Zuordnung zu einem bestimmten Richter im o. a. Sinne bereits im Vorhinein feststeht. Hingegen wäre eine Verteilung nach dem Klägernamen unzulässig, weil dies in gewissem Maße beeinflussbar wäre (z.B. durch Heirat oder durch Abtretung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs vor Klageerhebung).
  8. Welche Rechtsnatur hat der gerichtsinterne Geschäftsverteilungsplan?
    • Der Geschäftsverteilungsplan ist ein Rechtsakt sui generis
    • Beim gerichtsinternen Geschäftsverteilungsplan handelt es sich um eine Konkretisierung des im Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter
  9. Wann ist ein kammer-/senatsinterner Geschäftsverteilungsplan erforderlich?
    • wenn die Kammer/der Senat mehr Mitglieder als die jeweils gesetzlich vorgeschriebene Mitgliederzahl hat (und wenn mit der kammerinternen Geschäftsverteilung zugleich über den nach § 348 ZPO zuständigen Einzelrichter entschieden wird)
  10. Wie kann der Verstoß gegen die gerichts- oder spruchkörperinterne Geschäftsverteilung durch Verfahrensbeteiligte oder betroffene Richter beanstandet werden und wann verspricht eine „Beanstandung“ Erfolg?

Durch die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mit der Behauptung in dem grundrechtsgleichen Recht des Art. 103 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Die VB hat Aussicht auf Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.

  1. Gilt Ähnliches für Verstöße gegen die Zuständigkeitsordnung im Übrigen?
  2. Kann auch der Europäische Richter gesetzlicher Richter i. S. d. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sein, mit der Folge etwa, dass eine durch Art. 234 Abs 3 EGV gebotene, aber vorsätzlich unterbliebene Vorlage an den EuGH ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist?
  3. Was ist unter Ausnahme- und Sondergerichten i. S. d. Art. 101 zu verstehen?
    • Ausnahmegerichte i.S.d. Art. 101 Abs.1 S.1 GG sind solche Gerichte, die in willkürlicher Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeitsregelung geschaffen und eingesetzt werden, um nach personellen oder sachbezogenen Kriterien bestimmte Einzelfälle oder Fallgruppen zu entscheiden. Sie sind unzulässig.
    • Sondergerichte i.S.d. Art 101 Abs.2 GG sind Gerichte, die kraft gesetzlicher Regelung allgemein für einen bestimmten Kreis von Rechtsangelegenheiten außerhalb der regulären Gerichte der 5 Gerichtsbarkeiten errichtet werden. Sie sind zulässig. Die Rechtfertigung der Sondergerichte gegenüber dem Verbot von Ausnahmegerichten folgt daraus, dass sie zwar auf bestimmte Sachgebiete beschränkt sind, dies jedoch von vornherein abstrakt und generell.
  4. Was ist unter Gerichtsverwaltung zu verstehen - wer nimmt sie wahr?

Die Gerichtsverwaltung,vorgenommen von dem Gerichtspräsidium, umfasst alle Aufgaben an einem Gericht, die nicht zur Rechtsprechung, also zur eigentlichen Spruchtätigkeit gehören, aber zu der Rechtsprechung des Gerichts einen unmittelbaren oder mittelbaren Bezug haben.

  1. Welche Aufgaben obliegen dem Ministerium der Justiz nach dem Haushaltsplan des Saarlandes (Vorbemerkungen, Abschnitt Ministerium der Justiz, 1. Ministerium der Justiz (Kapitel 02 51)?
    • Dem Ministerium obliegt die Bearbeitung der Personal- und Verwaltungsangelegenheiten der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften, der Verwaltungsgerichte, des Finanzgerichts, der Sozialgerichte, der Arbeitsgerichte, der Justizvollzugsanstalten, der SKFP, der Gerichtsorganisation, des Notariatswesens, der Angelegenheiten der Rechtsanwaltschaft, ferner die Ausbildung und Prüfung des juristischen Nachwuchses sowie des Nachwuchses für alle Laufbahnen des Justizdienstes. Es wirkt bei Gesetzgebungsmaßnahmen des Bundes und des Saarlandes mit und berät die Landesregierung in rechtlichen Fragen besonderer Bedeutung. Weiter gehört zu seiner Zuständigkeit die Bearbeitung zwischenstaatlicher Angelegenheiten der Rechtspflege.
  2. Kann ich davon ausgehen, dass Sie den Haushaltsplan des Saarlandes, Einzelplan 02, Ministerpräsident, Staatskanzlei und Ministerium der Justiz im Internet gefunden haben?
  3. Wie hoch sind die Ausgaben des Ministeriums der Justiz insgesamt?
    • 155.330,9 (TEUR)
  4. Was zählt im Bereich der Sachmittel zu den Aufgaben der Gerichtsverwaltung (und damit auch des Ministeriums der Justiz)?
    • Im Bereich der Sachmittel zählt zu den Aufgaben der Gerichtsverwaltung die Bereitstellung der erforderlichen Gebäude und Räume, der Inneneinrichtung, sämtlicher Arbeitsmittel wie Schreibgeräte, Bürobedarf aller Art, Bücher und Zeitschriften, und auch die Beschaffung und Unterhaltung von Dienstfahrzeugen.
  5. Wie viel gibt das kleine Saarland Jahr für Jahr in etwa an Prozesskostenhilfe für Zivilverfahren aus?
    • Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte nach dem Gesetz über die Prozesskostenhilfe: 9.000.000 EUR
  6. Und wie viel für Beratungshilfe?
  7. Und wie viel für Pflichtverteidiger in Strafverfahren?
    • Gebühren der Offizialverteidiger in Strafsachen: 2.500.000 EUR
  8. Welche Aufgaben obliegen der Gerichtsverwaltung (und damit dem Ministerium der Justiz) im personellen Bereich?
    • Einstellung von Richtern, Staatsanwälten, Beamten des einfachen, mittleren, gehobenen Justizdienstes, Justizbeschäftigten
    • Aus- und Fortbildungsangelegenheiten
  9. Wer hat die Gesetzgebungskompetenz für die innere Organisation der Gerichtsbarkeiten ?
  10. Aus welchem Grund hat das Parlament ein großes Interesse daran, einem Ministerium Haushaltsmittel nicht global zuzuweisen - und aus welchem Grund hat ein Ministerium ein ebenso großes Interesse daran, zumindest über ein Sachkosten- und Personalbudget zu verfügen?
  11. Was ist unter einem „leistungsabbildenden Justizhaushalt“ zu verstehen?
    • Darunter ist ein Modell der Haushaltsgestaltung zu verstehen, bei dem Dezentralisierung und Anpassung an örtliche Gegeben- und Gepflogenheiten zu mehr Kosten- und Ausgabeneffizienz führen und das Kostenbewusstsein steigern soll. Dies wird u. a. realisiert durch Aufteilung der Mittel in unterschiedliche Bereiche, Zuteilung über einen längeren Zeitraum als ein Jahr und die Übertragbarkeit der Mittel auch über den Jahreswechsel hinaus, wodurch das sog. "Dezemberfieber" verhindert werden soll
  12. Was unter der sog. Kosten-Leistungs-Rechnung (KLR)?
    • Die KLR ist Teil des internen Rechnungswesens und unterliegt im Vergleich zur Finanzbuchhaltung kaum gesetzlichen Vorschriften. Die KLR dient in erster Linie der internen Informationsbereitstellung für die kurzfristige Planung von Kosten und Erlösen sowie deren Kontrolle.
  13. Was ist unter dem sog. Controlling zu verstehen?
    • Unter Controlling versteht man ein internes Rechnungswesen, das ein umfassendes Steuerungs- und Koordinationskonzept zur Unterstützung der Geschäftsführung bietet.
  14. Was meint das Grundgesetz zu Vergleichsstudien zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit der Länderverwaltungen (=Benchmarking)?
    • Art. 91d GG
  15. Kann ich davon ausgehen, dass Sie die Internetseiten des statistischen Bundesamtes und darauf die Übersicht „Justiz auf einen Blick“ gefunden haben?
  16. Gibt es (nicht nur auf Landes- oder Bundesebene, sondern) auch auf europäischer Ebene erste Ansätze von Leistungsvergleichen?

VorlesungSb/SchildGerichtsverfassungsUndVerfahrensrecht/FragenVorlesungFünfzehnterMai (zuletzt geändert am 2012-07-28 19:58:55 durch anonym)