Fragen zur Vorlesung vom 3. Juli 2012

  1. Was ist unter dem Grundsatz der Waffengleichheit zu verstehen?
    • Chancengleichheit bei Gericht/ beim Zugang zum Gericht
  2. Aus welchen Normen lässt er sich herleiten?
    • Artikel 3 ,Art 20 I, Art 1, Art 21 GG
  3. Welche Ausprägungen des Grundsatzes der Waffengleichheit kennen Sie im Zivilprozess?
    • Prozesskostenhilfe
    • Parteivernehmung
  4. Gilt der Grundsatz der Waffengleichheit in allen Phasen des Strafverfahrens?
    • Nein, der Grundsatz der Waffengleichheit gilt erst im gerichtlichen Verfahren und nicht schon im Ermittlungsverfahren.
  5. Welche Ausprägungen des Grundsatzes der Waffengleichheit kennen Sie im Strafprozess?
    • Pflichtverteidiger
  6. Was ist unter dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu verstehen?
  7. Aus welchen Normen lässt er sich herleiten?
    • audrücklich in EMRK
    • ansonsten ebenfalls Artikel 1, 3, 20, 21 GG
  8. Handelt es sich bei dem Grundsatz des fairen Verfahrens um eine eigene Verfahrensmaxime, aus sich etwa der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ableiten lässt oder handelt es sich um einen „Auffanggrundsatz“, der etwa im Zivilprozess kaum eine Rolle spielt, weil GVG und ZPO eine Vielzahl speziellerer Regeln enthalten?
    • In England stellt der Grundsatz der fairen Verfahrens eine tragende Verfahrensmaxime dar. In Deutschland gilt er zur Zeit eher als Auffanggrundsatz, jedoch ist eine Annäherung an das englische Recht in jüngerer Zeit festzustellen.
  9. Schilken schreibt (Randnummer 155): „Derzeit erscheint eine Geheimjustiz kaum noch denkbar …“. Stimmt das? Worum geht es bei dem derzeit aktuellen Streit um closed material proceedings (CMP) in Großbritannien?
    • Bei den closed material proceedings geht es um privatrechtliche Klagen, die gegen eine staatliche Einrichtung eingereicht werden. Die Klage wird intern behandelt, sodass nicht einmal der Kläger selbst am Prozess teilhaben darf. In Deutschland wäre ein derartiger Gesetzesentwurf bereits undenkbar.
  10. Was ist der Zweck des Grundsatzes der Öffentlichkeit?
    • Jedenfalls nicht, die Vorliebe der Richter für Streuselkuchen der Öffentlichkeit preiszugeben
    • Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Justiz, Kontrolle, Transparenz
  11. Aus welchen Normen lässt er sich herleiten?
    • §§ 169ff. GVG
  12. In § 169 GVG heißt es, „die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht“ sei öffentlich. Was bedeutet dies für den Anwendungsbereich des Grundsatzes der Öffentlichkeit?

* Nur die eigentliche Verhandlung ist öffentlich. Nicht dagegen: Beratungen der Kammer, Vergleichsgespräche, Zeugenvernehmungen an anderer Stelle o.ä.

  1. Dies vorausgeschickt: Welches sind die konkreten Auswirkungen des Grundsatzes auf die Verhandlungspraxis?
    • Es muss ein entsprechend großer Saal zu Verfügung gestellt werden, sodass die Öffentlichkeit an den Verhandlungen teilnehmen kann
    • Der Zugang zu den Verhandlungen muss gewährleistet werden, dafür müssen je nach dem Interesse der Öffentlichkeit bestimmte Vorkehrungen getroffen werden, z.B. Platzkarten vergeben, nur Zugang bei bestimmten Kriterien
    • Es muss ermöglicht werden, dass auch ein Teil der Presse Zugang hat und die Verhandlung mitverfolgen kann.
    • Der Ort und die Zeit der Verhandlung müssen ausgehängt werden (Sitzungsrolle). Soweit eine kurzfristige Raumänderung erfolgt, muss der neue Ort auch am ursprünglich geplanten Saal bekannt gegeben werden.
  2. Kann die Öffentlichkeit der Verhandlung in Konflikt treten zu anderen Normen, die den Schutz des Gerichts, der Parteien und der Zeugen (und damit letztlich der materiellen Gerechtigkeit) beabsichtigen …
    • Wer mündlich und öffentlich aussagt, schafft die Möglichkeit beobachtet zu werden. Derjenige möchte sich dann natürlich besonders gut darstellen und verstellt sich ggf. Außerdem kann es je nach Prozess auch gefährlich für die Beteiligten werden, da z.B. in Mafiaprozesses jede Aussage die man gegen eine Person/Personengruppe trifft evtl schwerwiegende Folgen haben kann, weswegen die Zeugen oder Parteien bewusst die Unwahrheit sagen um sich zu schützen.
  3. Wie löst das GVG den Konflikt?
    • indem es in den §§ 170 - 172 GVG Fälle regelt, in denen die Öffentlichkeit in der Verhandlung ausgeschlossen ist/ ausgeschlossen werden kann
  4. Welche Folgen hat der Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit?
    • absoluter Revisionsgrund (vgl. § 547 Nr. 5 ZPO)
  5. Was ist unter Sitzungspolizei zu verstehen?
    • Gemäß § 176 GVG ist darunter zu verstehen, dass der Vorsitzende für die äußere Ordnung der Verhandlung zu sorgen hat.
  6. Grenzen Sie die Sitzungspolizei von der Verhandlungsführung und dem Hausrecht ab.
    • Die Sitzungspolizei erfasst alle erforderlichen Maßnahmen, um einen geordneten äußeren Rahmen für die Verhandlung herzustellen und aufrechtzuerhalten.
    • Die Verhandlungsführung ist bezogen auf das konkrete Verfahren zu verstehen und richtet sich nach der jeweiligen Verfahrensordnung.
    • Das Hausrecht hat der Behördenleiter. Er darf beispielsweise darüber bestimmen, wer das Gebäude überhaupt betreten darf. Bei Gebäuden, in denen mehrere Behörden ansässig sind (beispielsweise beim Landgerichtsgebäude Saarbrücken), überträgt i.d.R. das Justizministerium das Hausrecht einem Behördenleiter. Im Rahmen des Hausrechts wird allerdings weder Einfluss auf die Sitzungspolizei noch auf die Verhandlungsführung genommen.
      • Der Richter hat im Gerichtssaal die "Befugnis" die Polizei zu leiten. Die Sitzungspolizei hat nichts mit dem Ablauf der Verhandlung zu tun. Sie stellt lediglich den äußeren Rahmen her. Das Hausrecht hat stets der Behördenleiter des Hauses in dem das Verfahren stattfindet um so evtl Konflikte zu vermeiden, wenn es unter Umständen in einem Gebäude mehrere Behörden gibt.
  7. Welches ist das Schutzgut der §§ 176 und 177 GVG und welches das des § 178 GVG?
    • Schutzgut der §§ 176, 177 GVG ist der äußere Ablauf des Verfahrens/ die äußere Ordnung.
    • Schutzgut des § 178 GVG ist die Würde des Gerichts (und im Grunde genommen auch die äußere Ordnung - eine derart strikte Trennung ist nicht möglich).

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