ERFAHRUNGSBERICH: NANTES 1996/97 (ERASMUS)

Zunächst eine kurze Beschreibung des französischen Studienaufbaus: Trotz einsetzender Bestrebungen einer „Semestrialisierung“ gliedert sich das Studium in Grundstudium und Hauptstudium und beinhaltet vier Jahresabschlüsse, die in der angegebenen Reihenfolge zu absolvieren sind: Diplôme des Etudes Universitaires Générales I, DEUG II, LICENCE und MAITRISE. Nach erfolgreicher Beendigung des DEUG (Grundstudium) spezialisieren sich die Studenten bereits regelmäßig, so daß im dritten Studienjahr die Gruppe der Privatrechtler der des öffentlichen Rechts gegenübersteht. Unter diesem Aspekt bietet das zweite Studienjahr (DEUG II) für deutsche Jura- Studenten die faktisch am einfachsten ins deutsche Studium zu integrierenden Veranstaltungen, z.B. Allgemeines Schuldrecht (DROIT DES OBLIGATIONS), Strafrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht, Recht der Internationalen Organisationen etc. Andererseits sollte man sich nicht von spezielleren Veranstaltungen der LICENCE abschrecken lassen, weil es sich immer um in sich abgeschlossene Veranstaltungen handelt, die zwar auf früher erworbenen Kenntnissen aufbauen, allerdings (zumindest im Zivilrecht) auch mit Kenntnissen des deutschen Rechts bewältigt werden können, so z.B. DROIT DES BIENS und DROIT DES SÛRETÉS. Vorlesungen zum Thema Völkerrecht, Europarecht bzw. Europäisches Gemeinschaftsrecht oder Internationales Privatrecht bieten sich vor allem in der LICENCE an. Sinnvoll für eine erfolgreiche Teilnahme ist bezüglich der beiden erstgenannten Gebiete der Besuch der Vorlesung Staatsrecht III im dritten Semester.

Die Veranstaltungen selbst finden in Form von Vorlesungen statt, wobei man sich als deutscher Student in der Regel erst an zweistündige Diktate gewöhnen muß. Zur Vertiefung der Materie bzw. zu ihrer Ergänzung werden parallel zu bestimmten Vorlesungen sogenannte TRAVAUX DIRIGÉS (T.D.) angeboten, ein Mittelding zwischen Übung und Seminar. Diese setzen eine intensivere Vorbereitung als Vorlesungen voraus. Schriftlich zu verfassende Urteilskommentare, die in regelmäßigen Abständen abgegeben werden müssen, fließen in die Abschlußnote ein. Die Belegung eines T.D. erscheint mir unter mehreren Gesichtspunkten wichtig: Teilweise werden Vorlesungen nicht vertieft, sondern regelrecht ergänzt, dergestalt, daß erst hier die eigentlich juristisch interessanten Fragen besprochen werden (so etwa im Europäischen Gemeinschaftsrecht: Während die Vorlesung nur einen historischen Überblick über den europäischen Integrationsprozeß verschafft, befaßt sich die T.D. mit den Institutionen, europäischen Rechtsnormen, Grundgedanken, wie z.B. dem Abstraktionsprinzip etc.). Darüber hinaus bietet eine T.D. eine ernstzunehmende Gelegenheit, mit französischen Studenten in Kontakt zu kommen – nicht immer einfach an der FAC DE DROIT ! Zusätzlich wird vom ehemaligen ERASMUS-Beauftragten Prof. Yves Tassel ein T.D. im DROIT DES OBLIGATIONS speziell für ERASMUS-Studenten angeboten. Für Verständnis und Interpretation von Entscheidungen, als auch für das Schreiben von Klausuren (!) – ob Kommentierung einer Entscheidung oder Lösung eines praktischen Falles à la française – waren die wöchentlichen 1 ½ Stunden wichtig.

Soweit von Saarbrücken keine Vorgaben gemacht worden sind, sollte man etwa 12 Wochenstunden belegen, bei nur einer T.D. ist etwas mehr gut möglich. Wichtig erscheint mir, angesichts der Unverbindlichkeit der Empfehlungen der Uni Nantes bei der Wahl Bezüge zum deutschen Studium herzustellen (was z.B. bei französischem Verwaltungsrecht eher schwierig ist!). Bei geplantem anschließenden Studienortswechsel ist zu beachten, daß Fächerkombinationen und Abschlußprüfungen auch wirklich anerkannt werden. Nicht alle Justizprüfungsämter akzeptieren die regelmäßig viertelstündige mündliche Prüfung in LICENCE und MAITRISE (Bayern!). Weiterzuempfehlende Kurse sind meiner Meinung nach jedenfalls: Droit des Obligations + T.D. Droit Communantaire + T.D. (letzteres ist arbeitsintensiv, - Sonderkonditionen für ERASMUS-Studierende erfragen! – aber ein Muß bei angemessenen Sprachkenntnissen).

Die Wohnsituation: Französische Wohnheime sollte man gar nicht erst mit deutschen vergleichen! Will man sich allerdings eine zeit- und kostenintensive Suche vor Ort ersparen und sehr günstig wohnen (FF 705,-- pro Monat abzüglich Wohngeld in Höhe von ca. FF 300,-- pro Monat), so sind sie eine akzeptable Alternative. Wohnungen erscheinen auf den ersten Blick sehr teuer, liegen aber bei Beantragung von Wohngeld (bei einer Miete von FF 2500,-- im Monate bis zu FF 1000 monatlich) nicht wesentlich über dem deutschen Niveau.

Sonstige Aktivitäten: Empfehlenswert ist jedenfalls, an vom Studentenwerk (Crous) angebotenen Aktivitäten (Uni-Sport, Orchester u.ä.) teilzunehmen, auch weil sich hier Kontaktmöglichkeiten zu Franzosen bieten. Die Anmeldung sollte man möglichst frühzeitig erledigen, weil mitunter die Teilnehmerzahl begrenzt ist.

Sonstiges: E-mail-Adressen können bei Stéphan Robin in Geb. B, 3. Etage eingerichtet werden (Diskette mitbringen). Rechner befinden sich außer in der FAC DE DROIT auch an der FAC DE LETTRES.

von Christian Siegmann

JuristischesAuslandsbüroSaarbrücken/ErfahrungsBericht/Nantes2 (zuletzt geändert am 2008-01-20 19:56:39 durch anonym)