ALS LL.M.-STUDENT IN EXETER

Den LL.M. vor dem ersten Staatsexamen machen – geht das überhaupt? Für Jurastudenten aus Saarbrücken durchaus! Während der Erwerb des LL.M.-Titels (legum magister – Master of Law) normalerweise ein abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium voraussetzt, hatte ich aufgrund eines zwischen der Universität des Saarlandes und der University of Exeter bestehenden Abkommens die Gelegenheit, bereits nach dem sechsten Semester als "postgraduate student" nach England zu gehen. Für den im Rahmen eines Erasmus-Stipendiums organisierten LL.M.-Austausch mit der Universität in Südengland sind lediglich die Examensreife, also das Bestehen der sieben Scheine, sowie Nachweise in Europarecht, Rechtsvergleichung und English Legal Terminology erforderlich. Sogar auf einen normalerweise geforderten TOEFL- oder IELTS-Test verzichtet die Uni Exeter bei den Studenten aus Saarbrücken. Da man ganz nebenbei auch noch die Studiengebühren erlassen bekommt (die sich für Studenten aus Deutschland regulär auf fast 9000 DM belaufen), handelt es sich wirklich um ein außergewöhnlich attraktives Angebot! Zur Zeit bietet die University of Exeter zwei verschiedene LL.M.-Kurse in "European Legal Studies" und "International Business Legal Studies" an. Inhalt des ersten sind die Kernbereiche des Europarechts sowie rechtsvergleichende Veranstaltungen, die sich in erster Linie mit den Rechtssystemen Englands, Frankreichs und Deutschlands befassen, während der Schwerpunkt des zweiten Kurses im Handels- und Gesellschaftsrecht liegt. Daneben kann man in beiden Programmen Kurse in anderen Rechtsgebieten wie Steuerrecht, Urheber- und Kartellrecht, Wettbewerbsrecht oder Human Rights wählen, sodaß eine individuelle Schwerpunktsetzung möglich ist. Die Abschlußprüfung erfolgt über Essays (Umfang 3000-4000 Wörter) sowie eine Magisterarbeit (Umfang 15000 Wörter), die insgesamt alle belegten Fächer abdecken. Zusätzliche mündliche Prüfungen sind je nach Ergebnis der Essays möglich, aber finden wohl selten statt. Die Kurse selbst sind in Form von Seminaren organisiert, für die jeder Student sogenannte seminar papers anzufertigen und zu präsentieren hat. Da der Anteil an internationalen Studenten bei etwa 95 Prozent liegt, ist die Hemmschwelle hinsichtlich der englischen Sprache schnell überwunden, die englischen "native speakers" befinden sich eindeutig in der Minderheit. Überhaupt sind die Anforderungen zum Bestehen des LL.M. ohne allzu große Schwierigkeiten zu meistern (was man durchaus nicht von allen englischen Universitäten behaupten kann). Die University of Exeter ist keine der altehrwürdigen Traditionsunis, die auf der Insel nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert genießen. Dennoch besitzt sie einen guten Ruf und hat sich im Bereich des LL.M. einen Namen gemacht. Daneben ist es auch eine schöne Universität: Der Campus ist für seine Garten- und Parkanlagen berühmt, das Angebot an Sportanlagen und –veranstaltungen ist kaum zu überschauen, und auch für Kultur ist gesorgt: Neben einem Unikino mit aktuellem Filmprogramm gibt es auf dem Campus auch ein Theater und diverse gastronomische Angebote. Die Uni ist etwas kleiner als die in Saarbrücken, und dem englischen Studienprinzip zufolge liegt der Altersdurchschnitt deutlich niedriger als hierzulande: Die englischen Studenten sind normalerweise 18 bis 21 Jahre alt, sodaß die LL.M.-Studenten schon zu den "mature students" zählen, für die es sogar eine eigene Organisation gibt. Ein Mangel an studentischem Wohnraum besteht nicht, allerdings sollte man durchaus wählerisch sein. Die Universität selbst bietet verschiedene Wohnheime an, die von unterschiedlicher Qualität sind und eines gemeinsam haben: Sie sind absolut überteuert. Wer die Mühe nicht scheut, sollte daher schon einige Zeit vor Beginn des Studienjahres für ein paar Tage nach England fahren und sich auf dem ebenso üppigen privaten Wohnungsmarkt umschauen, wo es uninahen Wohnraum zu wesentlich realistischeren Preisen gibt. Verglichen mit dem deutschen Preisniveau ist zwar auch "private accommodation" sehr teuer, aber das entspricht dem generellen Standard Englands. In nahezu allen Bereichen liegen die Lebenshaltungskosten erheblich höher als in Deutschland, was man bei der Planung eines Aufenthaltes in Großbritannien berücksichtigen sollte. Daß die Gegend um Exeter nochmals teurer ist als viele andere Regionen des Vereinigten Königreichs, erklärt sich schnell dadurch, daß man dort an der "Englischen Riviera" lebt: Aufgrund des milden Klimas und der Küste, an der sich so bekannte und (ehemals) mondäne Seebäder wie Torquay oder Paignton befinden, handelt es sich um eine der bevorzugten Urlaubsregionen der britischen Inseln. In der Tat hat die Umgebung Exeters einen hohen Freizeitwert: Der nahe Atlantik bietet alle Annehmlichkeiten eines Badeurlaubs, aber es gibt auch völlig gegensätzliche Landschaften wie z.B. das wildromantische Dartmoor, ein weitgehend menschenleeres Hochmoor, von dem weite Teile überhaupt nicht für Menschen zugänglich sind. Das westlich gelegene Cornwall schließlich, das viele als das Land der Rosamunde Pilcher kennen, ist der Inbegriff für Urlaub in Südengland und ebenfalls ein lohnender Wochenendausflug von Exeter. Die Stadt Exeter selbst hat etwa 100.000 Einwohner, wirkt aber kleiner. Trotzdem ist es eine lebendige Einkaufsstadt, wenn auch die kulturellen Angebote teilweise ein wenig provinziell anmuten. Doch das deutlich mondänere Bristol ist nicht weit, und sogar die englische Metropole London ist nur zweieinhalb Stunden entfernt, sodaß einem die Wochenenden nicht langweilig werden sollten. Weitere Ausflugsziele sind zum Beispiel Bath, eine der wohl schönsten englischen Städte, Plymouth oder die diversen alt-englischen Herrenhäuser, die über Südengland verstreut sind und heute größtenteils vom National Trust für Besucher instandgehalten werden. Eine Jahresmitgliedschaft in dieser Organisation ist übrigens schon ab 15 Pfund zu haben und eröffnet viele Möglichkeiten, die Attraktionen des Landes kennenzulernen. Insgesamt kann ich das LL.M.-Studium in Exeter nur weiterempfehlen. Es ist nicht nur eine der günstigsten Möglichkeiten, den auf dem Arbeitsmarkt einen hohen Stellenwert genießenden LL.M.-Titel zu erwerben, sondern bietet auch die Chance, eine der definitiv schönsten Gegenden Großbritanniens kennenzulernen, in die man auch nach dem Ende des Kurses gerne wieder zurückkehren wird... Cheers!

Thomas Reinhardt

JuristischesAuslandsbüroSaarbrücken/ErfahrungsBericht/Exeter2 (zuletzt geändert am 2008-01-20 19:59:14 durch anonym)