Juristische Aspekte von Angriffskriegen

Völkerrecht

Das Verbot des Angriffskrieges wurde erstmals allgemeinverbindlich vereinbart im Briand-Kellog-Pakt von 1928. Dieser Pakt definierte allerdings den Begriff Angriffskrieg nicht, so daß man höchstens dann einen Verstoß annehmen kann, wenn es sich um eindeutige Angriffshandlungen handelt.

Gem. Art. 2 Nr. 4 SVN besteht ein umfassendes Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unabhängigkeit anderer Staaten und damit auch und gerade ein Verbot des Angriffskriegs.

Art. 51 SVN konstatiert, dass der Einsatz von militärischer Gewalt zulässig ist, wenn

Daraus ergibt sich: Verteidigungskriege sind zulässig, Angriffskriege nicht.

Die (nicht verbindliche) Resolution Nr. 3314 (XXIX) der Generalversammlung der UN vom 14.12.1974 definiert den

Angriffskrieg
Art. 2 d. Resolution: "...the first use of armed force by a state in contravention of the Charter shall constitute prima facie an evidence of an act of aggression..."

Weiter erklärt Art. 3 d. Resolution:

Dagegen ist Selbstverteidigung zur Erhaltung eines Staates zulässig, da es sich nicht um Angriff, sondern um Verteidigung handelt.

Allerdings verlangt eben Art. 51 SVN, dass es sich um einen bewaffneten Angriff handeln muss, gegen den sich verteidigt wird.

Doehring (in: Doehring, Völkerrecht) ist etwas anderer Ansicht: nicht nur "armed attacks" sollen ausreichen, um staatliche Notwehr zu sanktionieren, sondern auch anderes soll denkbar sein (Doehring ebda. Rn. 761.). Zumindest soll Art.51 SVN dann nicht entgegenstehen, wenn der Sicherheitsrat untätig bleibt. Selbst dann verlangt Doehring allerdings eine Existenzbedrohung des sich verteidigenden Staates. Dann soll auch Nothilfe durch andere Staaten zulässig sein.

Die wohl h.M. lässt dagegen nichts unterhalb der Schwelle des bewaffneten Angriffs ausreichen; selbst Terroranschläge sollen keinen Verteidigungsschlag rechtfertigen (Ipsen, VölkerR, Kap. 15 Rn. 35).

Demnach müsste ein Angriff, der nicht die Reaktion auf eine Kampfhandlung ist, nach der UN-Charta unzulässig sein. Das gilt wie gesehen auch noch für den Fall, dass der Sicherheitsrat einen Beschluss nach Art. 42 SVN trifft. Dies ist ein Beschluss, in dem der Sicherheitsrat Maßnahmen beschließt, die notwendig sind, um im Sinne von Art. 39 SVN eine Bedrohung des Friedens zu beseitigen, die vorher durch Beschluss festgestellt worden ist.

Internationale Gerichtshöfe

Das Statut von Rom, Rechtsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshofs, verbietet zwar Angriffskriege, sieht aber eine eigene Definition des Tatbestands vor. Diese ist angesetzt für die Überarbeitungskonferenz zum Statut von Rom, sieben Jahre nach Inkrafttreten des Statuts, im Jahr 2009. Möglich wäre aber eine advisory opinion des Internationalen Gerichtshofs wie in den Fällen der Rechtmäßigkeit von Nuklearwaffen oder des israelischen Mauerbaus. Eine advisory opinion kann von Organen der UNO wie etwa der Generalversammlung angefordert werden.

Verfassungsrecht

Art. 26 I 1 GG verbietet nicht jede völkerrechtswidrige Handlung, sondern nur friedensvölkerrechtswidrige Handlungen (Münch/Kunig Art. 26 Rn. 18), und erfasst nur Handlungen von:

Für die Definition des Angriffskrieges wird üblicherweise auf die Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der UN (s.o.) verwiesen.

Fraglich ist, ob eine Zurverfügungstellung von Überflugmöglichkeiten, Auftankmöglichkeiten bzw. generell die Nutzung von Militärbasen einen Angriffskrieg darstellt. Nach der Resolution 3314 (XXIX) würde dies der Fall sein.

Das BVerfG hat allerdings z.B. entschieden, dass eine Auslegung von Art. 26 GG dergestalt, dass man eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Völkerrechtsverletzungen der Bündnisparter aus der NATO auf deutschem Boden annähme, Deutschland nach außen handlungsunfähig machen würde und deshalb abzulehnen ist (BVerfGE 77, 170 [233]).

Auch die Zustimmung zur Stationierung von Atomwaffen in Deutschland war ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 26 GG, weil nicht erkennbar war, dass die Bundesregierung in ihrer Einschätzung, ob der amerikanische Präsident die Waffen völkerrechtswidrig einsetze werde, erhebliche Fehler gemacht hätte (BVerfGE 68, 1 [103f]).

Allerdings bezogen sich alle diese Entscheidungen nur auf Maßnahmen, bei denen kein konkreter Einsatz vorhersehbar war. Vorliegend ist das anders; die Zurverfügungstellung von Überflugmöglichkeiten etc. unmittelbar zum Einsatz im Irak-Krieg ist konkret genug und im übrigen auch nicht vom NATO-Vertrag gedeckt.

Es gilt, dass auch Maßnahmen zur logistischen oder finanziellen Unterstützung eines Drittstaats, wenn dessen Einsatz von Gewalt völkerrechtswidrig ist, geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker iSv Art. 26 GG zu stören (Dreier/Pernice Art. 26 Rn. 17; Doehring in HdbStR VII, § 178 Rn. 34). Entsprechende Maßnahmen der öffentlichen Gewalt sind dann nichtig (Maunz/Dürig/Maunz Art. 26 Rn. 4).

Strafrecht

Allgemeines

§ 80 StGB

Strafrechtlich wird der Angriffskrieg im wesentlichen von § 80 StGB erfasst.

Vorbereitung eines Angriffskrieges

Wer einen Angriffskrieg (Art. 26 I GG), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.

Nach § 5 Nr. 1 StGB ist diese Vorschrift auch auf im Ausland von Ausländern begangene Taten anwendbar, da es sich um einen Angriff auf ein deutsches Rechtsgut handelt (Frieden für die Bundesrepublik).

Für Angehörige der amerikanischen und anderer NATO-Streitkräfte in Deutschland ist weiter das NATO-Truppenstatut nebst deutschen Ausführungsgesetzen zu beachten, abgedruckt unter A10 bis A10c im StPO-Kommentar von Kleinknecht/Meyer-Goßner. Dieses besagt im wesentlichen, dass Deutschland grundsätzlich die Verfolgung von Straftaten aller Art dem Entsendestaat überlässt, im Einzelfall aber feststellen kann, dass wesentliche Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit erfordern. Siehe: Art. 19 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (NTS-ZA), abgedruckt in Kleinknecht/Meyer-Goßner unter A 10a.

Strafbarkeit deutscher Regierungsmitglieder

Hierzu muss zunächst gesagt werden, dass der Strafbarkeitsauftrag aus Art. 26 I 2 GG in den §§ 80, 80a StGB nach einhelliger Meinung nur höchst lückenhaft umgesetzt worden ist; so ist die Vorbereitung eines Angriffskriegs strafbar, nicht aber die Beteiligung an einem solchen oder gar die Durchführung selbst. Auch beschränkt sich die Strafbarkeit auf die Fälle, in denen "dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland" herbeigeführt wird.

Der Begriff des Angriffskrieges in § 80 StGB ist lt. Verweisung der des Art. 26 I 1 GG und damit wie in der Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der UN zu lesen.

§ 80 StGB stellt nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe, an dem die BRD beteiligt ist. Dazu finden sich nur sehr wenige Ausführungen; die meisten beschränken sich auf die Frage, ob nur Kriege, bei denen die BRD der Angreifer ist, erfasst sind, oder auch solche, die gegen die BRD gerichtet sind. Lediglich einmal wird gesagt, dass eine solche Beteiligung nur vorliegen soll, wenn Streitkräfte der Bundeswehr am Angriff beteiligt sind (LK/Laufhütte § 80 Rn. 3).

Allerdings müsste sich dies m.E. durch eine verfassungskonforme Auslegung dieser Strafnorm erreichen lassen; "Beteiligung der BRD" lässt sich durchaus auch so verstehen, dass die BRD das ganze in Form von "Beihilfe" unterstützt. Allerdings soll nach Ansicht des Generalbundesanwalts Art. 26 I 1 GG nur erfüllt sein, wenn neben der Handlung noch die Absicht vorliegt, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Das ist aber verbreitet auf Ablehnung gestoßen, stellt doch ein Angriffskrieg auf jeden Fall eine Handlung in solcher Absicht dar, weil eben das Völkerrecht jeglichen Angriffskrieg mit Ausnahme von Maßnahmen auf Veranlassung des Sicherheitsrats als friedensstörenden Akt qualifiziert.

Zu einer Anklage wird es aber aufgrund der Tatsache, dass der Generalbundesanwalt eine politische Institution ist, nicht kommen, auch, wenn er eigentlich verpflichtet wäre, bei Unsicherheit über die Rechtslage anzuklagen, um einem Gericht die Entscheidung zu ermöglichen. (Meinung des Verfassers)

§ 80a StGB

Ob man von einer Aufstachelung iSv § 80a StGB sprechen könnte, wenn Regierungsmitglieder Unterstützung für die Angriffspläne eines Staates, der einen Angriffskrieg durchführen will, äußern, ist fraglich; allgemein wird eine Einwirkung auf Sinne und Leidenschaften (aber auch auf den Intellekt) gefordert, die objektiv geeignet und subjektiv im Sinne eines zielgerichteten Handelns dazu bestimmt ist, eine gesteigerte Bereitschaft zum Angriffskrieg herbeizuführen (Schönke/Schröder § 80a Rn. 3 iVm § 130 Rn.5,5a). Hinter § 80 StGB müßte dies aber m.E. zurücktreten.

Krieg der USA gegen den Irak

Wie die TagesZeitung Frankfurter Rundschau am 11.01.2003 berichtete, muss sich der Generalbundesanwalt Nehm mit mehreren StrafAnzeigen gegen den Bundeskanzler befassen.

Im Kern geht es wohl um die Frage, ob die Irak-Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrates ein UN-Mandat für Militäreinsätze enthält.

Zu dieser Frage kurz hier und ausführlich das Gutachten von Singh. Vgl. weiter auch den Artikel von Prof. Nolte (Universität Göttingen) in der FAZ vom 10.01.03 und dazu wiederum hier.

Eine Gruppe Freiburger Juristen legt in einem offenen Brief an den Bundeskanzler und den Bundespräsidenten die Rechtslage bei der Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg (mit oder ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats) dar. Selbst bei einem rechtmäßigen Mandat des UN-Sicherheitsrates bestehe keine völkerrechtliche Pflicht der Bundesrepublik zur Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak.

Nach einer Meldung von n-tv vom 21.03.2003 lehnt der Generalbundesanwalt Nehm Ermittlungen gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder wegen Verdachts auf Vorbereitungen eines Angriffskriegs ab. Es gebe "keine hinreichenden Anhaltspunkte". Hierzu auch ein Artikel im Spiegel.

Zahlreiche wichtige Hinweise zur Rechtslage finden sich im WebLog von Professor Bernard Hibbits Paper Chase.

Vgl. weiter auch "The American Strategy of Preemptive War and International Law" von Prof. Dietrich Murswiek (Freiburg), eine Übersetzung eines in der NJW veröffentlichten Aufsatzes, hier.


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AngriffsKrieg (zuletzt geändert am 2016-10-26 16:08:36 durch anonym)